Als Rheinisches Manchester war die Stadt einst bekannt – bis in den 1960ern der Niedergang der Textilindustrie einsetzte. Doch ganz weg war der Industriezweig nie. Und heute steht der Textilstandort Mönchengladbach wieder vor einer vielversprechenden Zukunft.
Symbolträchtiger geht es eigentlich kaum: Selbst im historischen Rathaus am Abteiberg drehten sich die Spinnräder, bevor die ersten Oberbürgermeister und Stadtdirektoren hier einzogen. Unter Napoleon wurde das ehemalige Kloster verstaatlicht und 1804 schließlich an einen Industriellen versteigert. Gut 30 Jahre produzierte hier eine Baumwollspinnerei, bevor das Gebäude 1835 von der Stadt erworben wurden.
Mönchengladbachs Geschichte als Textilstandort
16.000 mechanische Webstühle gab es im Handelskammerbezirk Gladbach im Jahr 1901. Die Industrialisierung hatte der Textilstadt Mönchengladbach sprichwörtlich Dampf gemacht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann hingegen eine schwierige Zeit. Steigende Reallöhne und zunehmende Konkurrenz aus Fernost führten zu einem andauernden Schrumpfungsprozess, der oft als Niedergang der Textilindustrie bezeichnet wird – auch wenn die Branche in ihrem Kern in Mönchengladbach lebendig blieb.
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Webseite zur Stadtgeschichte
Heute zählen rund 1.330 Arbeitsplätze in Mönchengladbach gemäß offizieller Statistik zur Textilbranche. Das sind 1,3 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in der Stadt, die sich auf Unternehmen aus den Bereichen Herstellung von Textilien sowie Herstellung von Bekleidung verteilen. Damit ist der Anteil an Arbeitslätzen in diesem Bereich in Mönchengladbach mehr als dreieinhalbmal so hoch wie der Landesschnitt in NRW (Lokalisationsquotient = 3,62). Hinzu gesellen sich außerdem noch etliche Unternehmen aus dem Bereich der Textilmaschinen-Herstellung – mit einem deutlich höheren Arbeitsplatzaufkommen. Der Sektor Maschinenbau insgesamt schlägt in Mönchengladbach mit 3.857 Arbeitsplätzen zu Buche (Stand jeweils 30.9.2021, Quelle: Agentur für Arbeit Mönchengladbach). Die Textilmaschinenbauer – etwa Trützschler mit der Konzernzentrale in Odenkirchen und weltweit 3.000 Angestellten – werden hierbei statistisch allerdings nicht gesondert ausgewiesen.
Wie viele Arbeitsplätze in Mönchengladbach unter dem Strich mit dem Thema Textil zusammenhängen, lässt sich also nicht eindeutig beziffern. Eines wird aus der überschlägigen Rechnung aber deutlich: In Mönchengladbach gibt es ein gutes Fundament, um den Faden der eigenen Industriegeschichte aufzugreifen. Viele gute Gründe sprechen dafür, dass die Textilwirtschaft am Standort in Zukunft wieder eine größere Rolle spielen und wichtige Arbeitsplätze im Rahmen des bevorstehenden Strukturwandels bieten kann:
Bildung als Fundament
Die enge Zusammenarbeit von Bildungsträgern in der Stadt und der Region legt schon heute vielfach das Fundament für die Textilwirtschaft, etwa durch die Berufsausbildungen der Textilakademie NRW und des Maria-Lenssen-Berufskollegs. Europaweit bekannt ist der Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein. An der Schnittstelle zwischen Textilwirtschaft und Logistikbranche forscht zudem das gemeinsame Center Textillogistik der Hochschule Niederrhein und des Fraunhofer IML. Neben Berufsausbildung und akademischer Forschung und Lehre spielt die berufliche Weiterbildung in den Textilbetrieben am Standort Mönchengladbach eine wichtige Rolle. Durch die vielfältigen Bildungsangebote und -investitionen kann die Region Mönchengladbach die qualifizierten Arbeitskräfte bieten, die die Branche für ihren Aufschwung benötigt.
Die Branche ist lebendig und gut vernetzt
Wie vielseitig und fortschrittlich die Textilbranche in Mönchengladbach ist, davon hat sich Oberbürgermeister Felix Heinrichs bei seiner Sommertour 2022 selbst überzeugt. Unter dem Motto „Zukunft Textil“ hat der OB im August und September etliche Unternehmen aus der Bekleidungs-, Mode- und Textil- und Textilmaschinenindustrie besucht. Zum Programm gehörte auch ein Netzwerkabend im Rathaus Abtei mit Vertretern aus Wirtschaft, Institutionen und Politik. Mit dabei: die Firma 1stMover, die gemeinsam mit der Stadtverwaltung und der Wirtschaftsförderung das Potential für einen europaweiten Start-up-Hub mit Basis in Mönchengladbach ermittelt.
Tradition trifft Innovation
Solides Wirtschaften, Anpassungsfähigkeit, Innovationskraft – mit Eigenschaften wie diesen hat so manches traditionsreiche Unternehmen den „Niedergang der Textilindustrie“ überstanden. Wenn diese Eigenschaften auf eine aktive Wirtschaftsförderung wie in Mönchengladbach treffen, sind beste Voraussetzungen für wirtschaftliche Erfolge in der Zukunft gegeben. Ist es in den vergangenen Jahrzehnten zumeist darum gegangen, den Mangel zu verwalten beziehungsweise verbleibende Strukturen zu konsolidieren, zieht die Entwicklung in der Textilbranche zuletzt wieder an. Auch befeuert durch die Vermittlung geeigneter Grundstücke und Gebäude seitens der Wirtschaftsförderung der Stadt Mönchengladbach – angefangen von der neuen van-Laack-Zentrale im Nordpark Anfang der 2000er bis hin zu aktuell anstehenden und mit Fördermitteln unterfütterten Neubauprojekten wie beim jungen Modelabel Colours & Sons. Denn nicht nur die „alten“, auch neue Unternehmen prägen zunehmend die Branche. Ob trendiges Modelabel, innovatives Textilrecycling oder die Herstellung neuartiger technischer Textilien, die etwa bei Videokonferenzsystemen zum Einsatz kommen: In Mönchengladbach treffen Tradition und Innovation aufeinander.
Made in MG
Große Produktionsstraßen in Ländern mit niedrigem Lohnniveau werden auch in Zukunft wichtig für die weltweite Textil- und Bekleidungsindustrie sein. Aber nicht nur. Die Rückverlagerung von Produktionsprozessen in Industrieländer – das sogenannte Reshoring – soll ebenfalls ein Teil der Zukunft dieses Industriezweigs sein. So können Nachhaltigkeits- und Sozialstandards sichergestellt, Innovationen vor Ort erprobt, Lieferketten verkürzt und Produktionsmengen auf den tatsächlichen Bedarf in der Region angepasst werden. Ein Vorbote für diesen Zukunftstrend ist die 2020 gestartete Jeans-Produktion von C&A’s Fit. In Mönchengladbach hat das Unternehmen eine nachhaltige Produktion von Jeanshosen für Damen und Herren für C&A Europa aufgesetzt – hoch automatisiert, CO2-frei und mit niedrigstem Wasserverbrauch. Es werden ausschließlich nachhaltige, zertifizierte Materialien verarbeitet.
Textilfabrik 7.0
Angesiedelt ist die Jeans-Produktion im Monforts-Quartier. In diesem Kontext soll auch ein Technologiepark entstehen, der wiederum die Keimzelle einer zukünftigen Textilfabrik 7.0 (T7) sein wird. Das Fernziel des T7-Projektes ist es, Innovation, Forschung und Produktion in einem hochmodernen und nachhaltigen Industriepark zusammenzuführen. Neben den vielen Strängen, die der Wirtschaftszweig im ganzen Stadtgebiet hat, sollen damit auch die Vorteile eines unternehmensübergreifenden, gemeinsamen Standorts ausgespielt werden, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Maschinen und Anlagen oder die wortwörtlich „naheliegenden“ Kooperationen im Bereich von Forschungs- und Innovationsprojekten.
Industriegeschichte erleben im TextilTechnikum
Das TextilTechnikum im Monforts-Quartier ist eine international einzigartige Sammlung der Textiltechnik. Im Mittelpunkt der ca. 150 Maschinen steht die Weberei. Die große Sammlung der Textilmaschinen hier ist deutschlandweit einzigartig. Vom Handwebstuhl über den mechanischen Webstuhl bis zur modernen Luftdüsen-Maschine ist alles vertreten. Der Besucher kann nachvollziehen, wie ursprünglich Flachs in der Heimweberei zu Leinen verarbeitet wurde und erlebt, wie die Industrialisierung Einzug erhielt und die Produktion mechanisiert wurde. Die Spanne reicht von den ältesten Webstühlen bis zur modernen Luftdüsentechnik.
www.textiltechnikum.de