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Jürgen Schnitzler

Marktstraße 5, Hs. 2
20357 Hamburg
Tel.: 040/ 43 69

Biografie

Geboren am 8. Januar 1944 in Remscheid; seit 1950 in Rheydt mit Besuch der Volksschule Wilhelm-Strauß-Straße und dem Hugo-Junkers-Gymnasium; 1963-1964 Lateinstudium und Studium der Philosophie in Marburg; 1964-1970 Studium Slawistik, Geschichte und Jura in Hamburg, ohne Abschluss; nach dem Studium verschiedene Jobs im Hamburger Hafen, bei der Post, in der Psychiatrie und als Film- und Fernsehstatist; 1976-1977 Teilnahme an einer Drogentherapie in Schorndorf bei Stuttgart; 1977-1978 Mitarbeiter in Hilka, Nordhausens Buchhandlung Welt; 1978-1979 Umschulung zum Tischler, die aber nach einem Kreissägeunfall abgebrochen werden musste; danach Bürohelfer und überwiegend arbeitslos. Schon als Schüler begann Jürgen Schnitzler zu schreiben. Als ihm ein Freund während einer Religionsunterichtsstunde ein selbst geschriebenes Gedicht à la Georg Trakl zu lesen gab, hatte dies zur Folge, dass auch er am selben Tag sein erstes Gedicht schrieb, ebenfalls à la G. Trakl. Von Stund an schrieb er Gedichte -häufig in den Parks von Mönchengladbach- und dachte in dieser Zeit zum erstenmal, dass nichts erstrebenswerter sei als eines fernen Tages selbst einen Roman zu schreiben. Auf Fragen wie sich alles zugetragen hat, erzählt der Autor: " Während des Studiums und der verschiedenen Jobs standen andere Interessen im Vordergrund, auch wenn es ein paar Anläufe gab, eine Erzählung zu schreiben. 1970 -ich war verlobt und steuerte scheinbar auf's Staatsexamen zu- geriet ich an Opium, und es gefiel mir derart, dass ich zwei Jahre lang damit weitermachte. Als es kein Opium mehr gab, gab es Morphium und Heroin. In dieser Zeit stieß ich mit einigen Prosastücken zu Boa Vista, einer Hamburger Literaturzeitschrift. "Der Faule" habe ich 1980 in Spanien geschrieben, mit Hilfe eines Arbeitsstipendiums der Kulturbehörde, und daraus auf der "Amok-Koma-City Tour" 1981 in Stuttgart, Basel, Zürich und Hamburg vorgelesen. Die Resonanz war nicht unschmeichelhaft, doch am meisten hat mich das Urteil von Herrn Herbert Achternbusch gefreut, in dem vom Gefallen an der leisen meinungsfreien Art und der Achtung vor dem, was man erblickt, wahrnimmt, egal wie beschissen es ist, die Rede ist. Schreiben wollte ich erst mal nicht mehr, und 1982 lernte ich das Pokerspiel kennen und auch gleich lieben. Seit zehn Jahren schreibe ich manchmal -d.h. eigentlich nur, wenn ich kein Geld mehr zum Spielen habe und Langeweile droht- an einer Erzählung weiter, die aber auch wieder vor allem von Spielern handelt und die bislang nicht über vierzig Seiten hinausgekommen ist. Ein Ende ist nicht abzusehen, solange ich den Spieltisch der Schreibmaschine vorziehe, was nach wie vor leider der Fall ist."

Bibliografie

1982
"Der Faule", eine Erzählung, erschienen im M. Kellner Verlag. Hamburg ISBN 3-922035-15-9

Prosa

Prosastücke in "Boa Vista" Nr. 2, 3, 6 und 7 sowie "Gasolin 23" Nr. 8 und 9 (Frankfurt a.M.)

Leseprobe

Pokern 

Aber hast du nicht gestern gewonnen, dachte beim Aufwachen Rosen, zwo vier gewonnen? Er wunderte sich, denn in dem Traum vorhin war sein ganzes Geld in einem einzigen Spiel verloren gegangen, an eine Frau, die wie Rosanna Arquette (die amerikanische Schauspielerin) aussah und vier Könige aufgedeckt hatte, vier Könige gegen seine vier Damen ... Schauplatz war ein Kasino gewesen, das sich hoch über Dortmund sehr langsam um einen Fernsehturm drehte. Dann ein Hochgeschwindigkeitszug, in dem er sich schlafend gestellt hatte, um nicht kontrolliert zu werden. In Bremen (oder Hannover ?) war er ausgestiegen und über eine Rolltreppe in eine Ladenpassage in den Salon jener Friseurin geraten, mit der er vor mehr als zwanzig Jahren in nicht enden wollenden Küssen verbunden gewesen war, und nachdem er von seiner Reise berichtet hatte, schnitt sie ihm gratis das Haar, wobei sein Blick in den Spiegel nach draußen ging, über den Bahnhofsvorplatz auf's Meer, als ein Flüstern von oben kam: Siehst du links das Kasino? Da wird ein Toilettenmann gesucht, das wäre doch was für dich ... Irgendwie schon, war seine Antwort gewesen, über die er jetzt boshaft ins Kopfkissen lächelte. Dann wälzte er sich auf den Rücken und blinzelte zu den beiden Rouleaus hin, die sattgelb im Sonnenlicht glühten. Durch die Sonntagsstille drang feines Geschirrklappern aus der unteren Wohnung, und das Telefon unterm Bett trillerte, bis Rosen hinunterlangte und abhob.
"Ja?"
"Hier van Kampen. Ich habe Sie doch nicht etwa geweckt?"
"Doch, haben Sie. Macht aber nichts, weil es gute Nachrichten gibt."
"Gewonnen?"
"Genug, ja."
"Als ob ich's geahnt hätte. Na, ich dachte eigentlich nur an ein kleines Sonntagnachmittagsmatch, gegen Sie und den Schneider zum Beispiel ..."
"Gute Idee. Um drei in der ECKE?"
"Gut. Und der Schneider?"
"Dem sag' ich Bescheid. Bis dann!"
Rosen legte auf. Er seufzte, weil es keinen Tag ohne das Pokerspielen mehr gab. Trotzdem, wie hätte er nein sagen können, wenn ihm jemand, bei dem er fast 1000 Mark Spielschulden hatte, Revanche anbot? Das war ausgeschlossen, und er dehnte und streckte sich und  rollte knurrend, um sich den nötigen Kampfgeist einzuflößen, vom Bett und stand: ein eher kleiner, doch stämmiger Mann von Ende Vierzig, auf dessen auffällig dünnem Hals ein kurzgeschorener Graukopf mit Vogelnase saß. Er zog einen bis auf den Boden reichenden Morgenmantel über - Relikt einer Freundin, die um einiges größer gewesen war - und lehnte sich aus dem Fenster.
Weit unten bog langsam ein U-Bahn-Zug, klein wie Spielzeug, in eine Kurve mit schimmernden Gleisen, verschwand im Feldstraßentunnel. Ein Fußball stieg aus dem Stadion dahinter ins Blaue und brachte Rosen auf die Idee, sich der Welt heute zum erstenmal in dem gelben italienischen Anzug zu präsentieren, den er vor Jahren in einer Siegerlaune gekauft, aber aus Mangel an Übermut nie getragen hatte. Er wusste auch schon, was dazu passte: das dunkelblaue Seidenhemd und die breite Krawatte mit Marienkäferchen auf gelbem Grund, die er sonst nur im Kasino trug ... Rosen unterdrückte ein Kichern, drehte am Radio, bis was Südamerikanisches kam, und bewegte sich wie mit Rumbakugeln rasselnd ins Bad, um sich frisch zu machen. Dann trat er in seinem Siegerkostüm aus der Wohnung.