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Frank Zimmermann

Tel: 0 21 61 / 30 94 84 

Biografie

Geboren 1971 in Mönchengladbach; am Niederrhein, wo er bis heute lebt; Abitur 1990; 15 Monate Zivildienst im Krankenhaus; anschließend Studium der Sozialarbeit (Abschluss mit Diplom 1995); Nach dem Anerkennungsjahr beim Jugendamt der Stadt Neuss arbeitete er fünf Jahre lang in einer Jugendhilfeeinrichtung in Dormagen; seit dem Sommersemester 2001 Studium der Germanistik und Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an der FH Düsseldorf.

Erste literarisch/journalistische Gehversuche bei der Schülerzeitung "Heimatkurier" des Gymnasiums Odenkirchen. Während des Studiums gründete er mit einem Freund das AZP (Alternatives-Zeitungs-Projekt); im Rahmen dieses Projekts erschienen drei Ausgaben mit vorwiegend literarischem Inhalt.

Seit 1996 regelmäßige Teilnahme an der Schreibwerkstatt "Rendezvous der Worte" in Mönchengladbach und Viersen. Ab 1999 dreijährige Mitarbeit an der Internetliteraturseite www.leselupe.de

Seit 2002 ist er Mitglied bei der Autorengruppe Federspur

Bibliografie

Kurzgeschichten

2000
"Geburtstag" Erschienen in der Anthologie "Überraschung!", herausgegeben von Marc Schieferdecker im JL-Verlag. Balve, ISBN 3-8311-0212-0 

2001
"Der Sommermann" Erschienen in der Anthologie "leselupe.de", herausgegeben von Andreas Lennartz und Tim Rohrer im Web-Site-Verlag.
Ebersdorf ISBN 3-935982-19-4

2003
"Fünfzehn Minuten nach Sieben" Erscheint 2003 in "Lies mit mir! Reader", im amerikanischen Schulbuchverlag HRW.
Austin Texas ISBN 0030656397

Leseprobe

Für's Leben lernen

Am Campus sitz ich in der Sonn,
versuch mich in Lektüren;
doch um mich rum ist so viel Wonn,
da ist gar schwer Studieren.

Die erste ist von Flachs und Milch,
(den kurzen Rock gespreizt,)
sitzt rittlings sie auf ihres Liebsten Schoße;
kost leidenschaftlich-innig mit ihrer Zunge diesen Knilch,
derweil gibt sie den Blick mir frei,
auf ihre seidne Unterhose.

Die zweite: eine dunkle Schöne,
sitzt lächelnd auf der Wiese,
ich wünschte, dass Sie mich verwöhne,
in meiner Hose wächst ein Riese -

zumindest, wenn man ihn vergleicht
mit emsiger Ameise,
die hektisch meinen Fuß erreicht;
so endet meine Wunschtraumreise.

Ich kehr zu Goethe nun zurück:
die Leiden des jungen Werthers,
der Knabe hatte auch kein Glück!



Fünfzehn Minuten nach Sieben

Fünfzehn Minuten nach Sieben. Der Wecker. Er tappst barfuß ins Bad, zieht sich an. In der Küche schmiert er seine Brote. Dann packt er seine Tasche, nimmt Portemonnaie und Schlüssel vom Bord und zieht die Wohnungstüre hinter sich zu und die Zeitung aus dem Briefkasten.

Nach wenigen Schritten wartet er an der Haltestelle bis der Bus kommt und ihn in seinem Bauch bis zum Bahnhof trägt. Wenn er auf das Gleis kommt ist die S-Bahn schon da. Vierzig Minuten in diesem orangen Lindwurm aus Metall und Plastik. Endlos geduldig lässt sich die Menschenmenge durchrütteln. Zeitungsrascheln. Schlafen. Generve mit Handy und Walkman. Rücksichtslos. Immer das Gleiche. Auch in der Zeitung, immer das Gleiche. Aus dir soll mal was besseres werden, hatten seine Eltern stets beschworen, ihn aufs Gymnasium geschickt. Es hatte insofern geklappt, dass er sein Geld tatsächlich nicht mit körperlicher Arbeit verdienen musste, er war ein Verwaltungszombie geworden. Jetzt war er Anfang Dreißig, doch es schien ihm, als könne er nicht älter werden, nicht noch älter als er sich fühlte, nicht noch älter.

Nachdem die S-Bahn ihn ausgespuckt hat, ist er noch mal auf den Bus angewiesen, der ihn zu dem großen Verwaltungsgebäude bringt, in dem er dann für acht Stunden seine Seele an der Garderobe abgeben wird. Doch hier ist seine Verbindung nicht so lückenlos, hier muß er sieben Minuten warten. Hier nippt er kurz am Leben: die Zeitung als Alibi vor sich haltend blickt er sich um und beschaut die Passanten, belächelt Socken in Herrensandalen und ergötzt sich an gutgewachsenen Frauen. Da ist auch wieder die Blonde, die sieht er fast täglich. Sein Alter, seine Größe, schlank, unauffällig aber geschmackvoll gekleidet, eine etwas zu spitze Nase, aber ansonsten ein hübsches Gesicht mit klaren blauen Augen, lange glatte Haare, meist hochgesteckt, so dass die Haarspitzen lustig über ihrem Hinterkopf hüpfen. Sie steht in seiner Nähe, wartet auf den gleichen Bus, steigt an seiner Haltestelle aus und verliert sich dann in den Weiten des Campus.

Fünfzehn Minuten nach Sieben. Der Wecker.

Diesmal geschieht etwas unerwartetes. Die blonde Frau lächelt ihm zu, lächelt ihn an. Nur ganz kurz, wie zufällig und doch ist er sich sicher, dass dieses Lächeln absichtlich gelächelt wird, dass sie wirklich ihn meint. Der Augenblick fährt durch seine Augen in sein Hirn, dreht dort einige stürmische Runden und gräbt sich dann tief in seinen Leib, irgendwo zwischen Magen und Rückenmark. Er lächelt seinerseits, kurz, dann blickt er wieder in seine Zeitung, wo die Buchstaben Ringelrein zu tanzen scheinen.

Fünfzehn Minuten nach Sieben. Der Wecker.

Beschwingt steht er auf, beinahe hätte er gepfiffen. Er kann es kaum erwarten an der Bushaltestelle anzukommen. Dann ist er da, und sie ist da, aber sie steht mit dem Rücken zu ihm und er kann sich nicht in ihr Blickfeld schieben, nicht ohne aufzufallen. So studiert er sieben Minuten lang ihre Rückenansicht: der hüpfende Schopf, eine Jeansjacke, eine enge, schwarze Stoffhose, geschlossene, schwarze Schuhe mit einem niedrigen Absatz.
Im Bus ist es voll. Sie setzt sich ans Fenster, neben ihr der Platz ist noch frei. Ein Lidschlag des Zögerns, dann setzt er sich neben sie. Beide blicken nur in ihre Zeitung, aber sie sitzen nebeneinander, elf Minuten lang, dann sind sie da.

Fünfzehn Minuten nach Sieben. Der Wecker.

Jeden Tag sitzt er jetzt im Bus neben ihr. Sie grüßen sich mit einem Kopfnicken, doch sie haben noch keine Worte gewechselt und Blicke nur scheu und flüchtig. Heute berührt sie mit ihrem Knie seinen Schenkel. Wie Strom durchfährt es ihn. Wie damals, als er die Küchenlampe aufgehängt hatte ohne die Sicherung rauszunehmen.

Fünfzehn Minuten nach Sieben. Der Wecker.

Der Bus fährt los. Ihre Rechte findet seine Linke. Ihre Finger verschränken sich ineinander, ganz so als sei dieser Weg für diese Finger unumgänglich vorbestimmt. Gegenseitig geben sie sich Zeichen mit den Händen, indem sie den Druck variieren. Sein Daumen streichelt ihren Handrücken. Sein Blut schießt in die Hose. Aus der knisternden Glut ist eine lodernde Flamme geworden. Hand in Hand steigen sie aus dem Bus. An der Haltestelle stehen sie sich gegenüber. Hand in Hand. Die Menschen strömen an ihnen vorbei. Dann sind sie mit sich alleine. Ihre Blicke tauchen ineinander ein. Minutenlang halten sie sich bei den Händen, sehen sich an. Er schluckt. Sein Hals schnürt sich zu, sein Herz krampft, seine Augen werden wässrig.
"Ich bin verheiratet.", krächzt er.
Sie lässt seine Hände los, steht ihm eine Weile stumm gegenüber und sagt dann zwei Worte: "Du Schwein."
Er nimmt weniger den Schmerz wahr, den die Ohrfeige verursacht, als ihr Geräusch, das in der Stille seines Körpers nachhallt.