Die Geige - anspruchsvoll, innig, wunderschön

Christine Beimel, ehemalige Musikschülerin, Geigerin beim WDR-Rundfunkorchester

Wer Geige spielt, umarmt sein Instrument dabei innig. Die Geige liegt beim Musizieren direkt über dem Herzen, der Kopf beugt sich zu ihr, das linke Ohr berührt sie fast, und mit seinen Händen lockt der Musiker aus vier Saiten die Töne hervor. Die Geige verbindet wie kein anderes Instrument das Denken, intensive Fühlen und Tun. Manche sagen: Geige spielen ist wie wenn die Seele singt. Neben Klavier und Gitarre ist die Geige in der Musikschule das beliebteste Instrument. Dabei muss man, um einen schönen Ton zu erzeugen, viel mehr tun als beim Klavier eine Taste zu treffen. Und die Geige hat auch keine Bünde wie die Gitarre. Ob der Finger den richtigen Ort auf dem Griffbrett trifft, entscheiden nur die besten Freunde des Geigers: seine Ohren.

Doch auf dem kleinen, gerade mal 27 cm langen Griffbrett können sich Klangwelten auftun, je nachdem, wie der Musiker die Finger aufstellt, wie fest er drückt, ob er vibriert oder die Hand dreht. Auch jede Nuance in der Bogenbewegung verändert den Ton. Geige spielen ist, wie mit einer Kalligrafie-Feder einen Text in künstlerischer Schönschrift zu verfassen.


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Zu wem passt die Geige?

Geiger sind oft Menschen, die auch sonst keine Scheu haben, die erste Geige zu spielen. Im Orchester führen sie die anderen Instrumente, der Konzertmeister ist immer ein Geiger. Ausdauer und auch ein gewisser Ehrgeiz sind beim Geige-Lernen hilfreich, denn sie ist ein Instrument mit viel Übeaufwand. Wer genau hört und feinmotorisch geschickt ist, sollte schon sehr früh anfangen.

Berühmte Geigenmusik

Für kein Instrument sind so viele Konzerte komponiert worden wie für die Geige. Sie ist schnell, wendig, vielseitig und hat einen so tragenden Klang, dass sie sich sogar gegen einen Flügel behauptet.

Im Barock beschreibt Vivaldi in seiner Programmmusik „Vier Jahreszeiten“ die Farben der Jahreszeiten mit unglaublich plastischen Klängen. Extremsport für Geiger ist Paganinis  „Violinkonzert Nr.1“. In dem vor knapp 200 Jahren komponierten Stück setzt er krasse Akkordbrechungen und große Sprünge ein, die Finger rasen übers Griffbrett und der Bogen hüpft wie wild. Man sagt, der „Teufelsgeiger“ habe die Seele unschuldiger Mädchen mit Hilfe des Teufels in seine Geige eingesperrt. Nur deshalb könne er so unerklärliche Töne erzeugen.

In der ruhigen, innigen Titelmusik zu dem Film „Schindlers Liste“ hat John Williams dem Leiden der Juden im Holocaust durch die Geige eine ergreifende Stimme gegeben. Allein der letzte Ton, ein langgezogenes dreigestrichenes A, ist unvergesslich.

 

Christine Beimel

Geigerin beim WDR-Funkhausorchester

Christine Beimel und ihre Geige

Manch ein Schüler sagt, die Musikschule sei sein zweites Zuhause. Bei Christine Beimel hat dieser Satz eine andere Bedeutung: Schon als Kleinkind saß sie oft bei ihrem Vater, dem Ex-Schulleiter Christian Malescov, im Büro unterm Schreibtisch, spielte mit Lego und malte.

Erst hatte sie bei ihrem Vater Geigenunterricht, ab dem Grundschulalter dann bei Michalina Knull-Mausen und später Emir Imerov. Sie war Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“, bestand gleich die erste Aufnahmeprüfung zum Geigenstudium und genauso zum Masterstudium. Schon vor dem Master-Abschluss setzte sie sich gegen mehr als 100 Bewerber beim WDR-Rundfunkorchester durch und hat nun in Köln eine feste Stelle als Geigerin.

Doch so zielorientiert, wie es scheint, war ihr Weg nicht. Christine erzählt von ihrer großen Ungeduld und bockigen Pubertätsphasen. Zwar liebte sie Auftritte und mit anderen gemeinsam zu musizieren. „Die Alte Musik-Ensembles von Marion Bleyer haben mir Welten geöffnet.“ Aber geübt habe sie oft nur in Schüben und vor Konzerten. Beim Jugendsinfonieorchester, dessen Dirigent ihr Vater war, fand sie immer „ein bisschen peinlich, wenn Papa da vorne herumhampelte“.  Mit 17 oder 18 Jahren dachte sie zum ersten Mal: „Vielleicht will ich das ja doch beruflich machen.“ Auch im Studium hat sie sich noch oft gefragt, ob sie die Geige wirklich genug liebt. Sicherheit gewann sie durch das „Ensemble Reflektor“, ein mit Freunden gegründetes Kammerorchester. Sie erlebt dort Verbundenheit, Euphorie und die unglaubliche Energie, die bei Konzerten entstehen kann. Sie steht inzwischen dazu, dass ihr Qualität mehr liegt als Quantität. Sie übt regelmäßig und bewusst statt exzessiv. Und ihr ist klar geworden: „Ohne Musik ist die Welt nichts. Aber Musik ist nicht alles. Man muss auch intensiv leben, um gute Musik zu machen.“ 

 

 

Warshiya Pirabakaran

Ehemalige Schülerin und Konzertmeisterin mit tamilischen Wurzeln

Mit 17 Jahren war die junge Tamilin im Jugendsinfonieorchester die Chefin. Sie saß am ersten Pult der Geigen. 13 Jahre hatte die dunkelhäutige junge Frau Geigenunterricht an der Musikschule bei Bridget King. Doch die Wurzeln ihrer Familie sind Warshiya wichtig. Daher spielt sie auch tamilische Geige. Das geht so: Schneidersitz, Geige umdrehen, die Wirbel mit den Füßen halten, zwei Saiten höher stimmen. Die tamilische Musik klingt für unsere Ohren etwas ungewohnt. Aber Warshiya liebt sie genauso wie Beethoven mit dem Jugendsinfonieorchester. Inzwischen studiert sie Medizin und will Chirurgin werden. Sie gibt aber auch Unterricht in tamilischer Geige und trifft sich weiterhin regelmäßig mit ihrer ehemaligen Quartett aus der Musikschule. Für ihre Zukunft als Chirurgin hat Warshiya als Geigerin gute Voraussetzungen: Sie kann diszipliniert arbeiten, ein Problem systematisch lösen und sie ist feinmotorisch geschickt. Auch unter Stress hat sie ruhige Hände. „Sonst wird es eine Operation mit Vibrato.“

Übrigens...

Was ist schwieriger? Mit der linken Hand in rasendem Tempo saubere Töne zu greifen oder mit rechts den Bogen zu ziehen? „Eindeutig rechts“, sagt Christian Malescov. „Mit links zu greifen ist Sport, das kann man lernen.“ Aber rechts kommt es auf die feinen Nuancen zwischen Druck, Geschwindigkeit und Kantung des Bogens an. Mit dem Bogenstrich den warmen, runden, gesungenen Geigenton zu formen, ist eine Kunst. „Und am allerschwierigsten: den Bogen ganz langsam und ruhig zu ziehen. Daran feilen auch Virtuosen noch stundenlang.“