Das Cello - sein Klang ist nah an der menschlichen Stimme

Paulo Francke, Cellolehrer

Das Cello sieht aus wie eine erwachsene Geige, die auf einem Bein steht. Das Violoncello, wie es mit ganzem Namen heißt, wiegt etwa vier Kilo - so viel wie zwei leere Bierkästen. Früher musste ein Cellist dieses Gewicht beim Spielen zwischen den Knien halten. Heute hat das Cello zum Glück unten einen Stachel, auf dem es steht. Es ist entspannt an den Cellisten angelehnt, der beim Spielen sitzt und sein Instrument dabei von hinten umarmt. Beim Musizieren spürt er, wie jeder Ton dort vibriert, wo das Instrument ihn berührt: direkt über dem Herzen und an den Beinen. Viele lieben am Cello, dass es so schön singen kann. Sein warmer Klang ist ganz nah an der menschlichen Tenorstimme.

Das Cello ist ein schwarzer Panther: stark und reaktionsschnell, aber auch samtweich und voller Anmut. Der Panther hält sich gerne im Hintergrund, aber dann ist er sofort mit voller Kraft da und erwischt seine Beute. Cello spielen ist sehr körperlich. Das weiß jeder, der drei Abende nacheinander in Mahlers 9. Sinfonie am Cello gesessen hat und danach nur noch ins Bett fällt. Die Herausforderung ist, dass Cellisten Kraft in den Händen brauchen, aber nicht wie ein Holzfäller. Sondern sie müssen so präzise sein wie ein Mikrochirurg.

Im Orchester sind die Celli die starken Schultern, auf denen die Geigen turnen. Der Kontrabass liegt wie ein Teppich darunter. Doch mühelos übernimmt das Cello auch die Solostimme. Und wenn kein Bass dabei ist, legt dieser Alleskönner auch das solide Fundament und sorgt für den nötigen Wumms.

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Zu wem passt das Cello?

Genau wie die Geiger steuern Cellisten über ihr Gehör, ob ihre Finger auf dem Griffbrett den Ton treffen. Allerdings ist das Cello ein bisschen gnädiger als die Geige, die zwei Oktaven höher gestimmt ist: Je tiefer der Ton, desto weniger fällt es auf, wenn er nicht ganz sitzt.

Kinder können schon im Vorschulalter anfangen. Aber auch bei erwachsenen Schülern ist das Cello beliebt. Vor 150 Jahren war es noch verpönt, wenn Frauen Cello spielten. Man kann dabei ja nicht züchtig die Knie schließen. Doch so verklemmt wird heute zum Glück kein Mädchen mehr erzogen. Inzwischen gibt es sogar deutlich mehr Schülerinnen als Schüler.

Berühmte Cellomusik

Belen Ruales, Cellolehrerin

Saint-Saëns „Der Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ ist der Inbegriff der romantischen Cello-Literatur. Der große, prachtvolle weiße Vogel gleitet auf einem See dahin. Und genauso gleitet der Cellobogen in dieser ruhigen, verträumten Romanze über die Saiten. Die „Cello Suite Nr. 1“ von Bach ist so klar und hell komponiert, dass da immer etwas Höheres mitschwingt. Zu Beginn bewegt sich ein Akkordgewoge so gleichmäßig weiter wie Wellen. Genau in der Mitte des Stücks bleibt das stehen. Auf dem Rückweg werden die Akkordwellen von oben gebrochen, bis zur Erlösung in der Grundtonart G-Dur. Wild, aber auch melancholisch ist Astor Piazzollas „Libertango”, ein Kultstück des Tango Nuevo. Das Cello spielt ein freches, kokettes Stakkato, aber auch lange verweilende, sinnliche Passagen. Verzögerungen und abrupte Wechsel zwischen laut und leise sorgen für Dramatik und schmerzliche Leidenschaft. Was David Garrett für die Geige ist, sind die beiden Kroaten Stjepan Hauser und Luka Šulić für das Cello. Das Duo mit dem schlichten Namen 2Cellos spielt bekannte Rock- und Popstücke - und das mit einer solchen Mischung aus Virtuosität und Exzess, dass am Ende meist Haare vom Bogen abgefetzt sind. Ihre phantasievoll-knallige Version des AC/DC-Hits „Thunderstruck“ wurde auf YouTube weit über 200 Millionen Male angeklickt.

Laurens Groll

Cellist im Staatsorchester Stuttgart

Laurens Groll, ehemaliger Musikschüler, ist Cellist beim Staatsorcherster Stuttgart.

Als Laurens Groll mit sechs Jahren ein Mädchen Cello spielen hörte, verliebte er sich in dieses Instrument. Das ist heute, fast 30 Jahre später, immer noch so: „Es ist diese warme Tonfarbe. Der Klang ist so geschlossen und rund. So süffig und mit Schmelz, wie eine Decke, in die man  sich wohlig hüllt.“ Nach zwölf Jahren Cello-Unterricht an der Musikschule hat er in München und Karlsruhe Cello studiert. Seit fünf Jahren ist er Cellist beim traditionsreichen Staatsorchester Stuttgart.

Das Jugendsinfonieorchester war sehr prägend für Laurens Entscheidung, Orchestermusiker zu werden. Von Jahr zu Jahr ist er ein Pult aufgerückt und irgendwann Stimmführer der Celli geworden. Zwischen seinen Abiturklausuren spielte er als Solist mit dem Jugendsinfonieorchester das Cello-Konzert von Saint-Saëns. „Im Orchester lernt man, einander zuzuhören. Wenn dann gemeinsam etwas Großes entsteht, ist das ein unglaubliches Glücksgefühl.“ Für Laurens ist Cello spielen eine Liebesbeziehung: „Irgendwann ist einem das Instrument sehr vertraut. Aber wenn ich ein paar Tage nicht gespielt habe, entdecke ich jedes Mal wieder etwas Neues an ihm. Der Kontakt wird immer tiefer. Es gibt auch Phasen, da möchte ich mein Cello verfluchen, weil es nicht so will wie ich. Aber dann wieder bin ich glücklich und dankbar, dass ich es spielen darf.“

Übrigens...

Wenn Sabine Heiwolt, Cellolehrerin und Fachleiterin für Streichinstrumente, einen Ton hört, sieht sie automatisch eine Farbe. Synästhesie nennt man diese angeborene Fähigkeit. Die C-Saite des Cellos ist für sie grau, die G-Saite tannengrün, das D leuchtend blau und das A knallrot. Normalerweise laufen die Farben bei Sabine Heiwolt immer mit wie ein Fernseher im Hintergrund. Sie kann aber bewusst auf den Aus-Knopf drücken. Das macht sie in einem Konzert, um nicht in Farben zu ertrinken. Oder wenn ein Schüler schief spielt, denn dann werden ihre inneren Farben milchig oder nebelig. „Sonst würde ich ja wahnsinnig."