Klassischer Gesang - der Körper als Instrument

Maria Dewies, ehemalige Musikschülerin, studiert klassischen Gesang.

Wenn ein ganzes Sinfonieorchester und eine Sängerin auf der Bühne stehen, dann geht unser Blick wie magnetisch auf die Sängerin. Ihr Gesang berührt uns unmittelbar. Man hat das Gefühl, direkt in die Seele der Sängerin zu schauen. Nicht mal ein Instrument ist zwischen ihr und uns.

Doch eigentlich ist das nicht ganz richtig, denn klassische Sänger nutzen ihren Körper als Instrument. Popsänger haben stets ein Mikrofon in der Hand. Von klassischen Sängern wird erwartet, dass sie ohne Verstärkung das Orchester übertönen und die letzte Reihe des Konzertsaals erreichen. Dafür braucht es allerdings einige Jahre Training. Das A und O ist eine gute Stütze im unteren Bauch. Von dort aus muss ein Sänger richtig Power entwickeln. Doch auf keinen Fall dürfen dabei Druck und Enge in Kopf und Hals entstehen. Dieser Bereich muss weich, weit und unangestrengt sein. Der Ton entsteht beim Singen zwar dadurch, dass die Stimmlippen im Kehlkopf vibrieren wie die Saiten einer Geige. Aber die Resonanzräume im Kopf und Oberkörper sind die Lautsprecher. Je geräumiger und freier sie mitschwingen, desto besser kann sich der Ton entfalten. Beim Singen lernen wir auch etwas fürs Leben: Unsere volle Kraft kann dann zum Vorschein kommen, wenn wir aufhören, uns anzustrengen.

Wenn eine Sopransängerin eine hohe Partie singt, benutzt sie vor allem ihre Kopfstimme. Dadurch kann sie über 100 Dezibel laut werden. Wenn sie auf der Bühne loslegt, muss der Tenor neben ihr aufpassen, dass er nicht wegfliegt.

 

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Zu wem passt klassischer Gesang?

Zwar gibt es Kinder, die haben von Natur aus eine Stimme wie ein Engel. Aber manches Entlein entwickelt sich auch erst im Unterricht zu einem stolzen Schwan. „Ich habe schon große Überraschungen erlebt“, sagt der Gesangslehrer Klaus Paulsen. Die wichtigste Voraussetzung: Man sollte gerne singen. Und die nötige Portion Mut haben, sich damit zu zeigen. Es kommt extrem selten vor, dass jemand Töne nicht erkennen und nachsingen kann, also unter Amusie leidet, die vom Gehirn ausgeht. Wer sagt: „Ich kann nicht singen“, der ist wahrscheinlich irgendwann verunsichert worden. Gesangsunterricht ist die beste Gelegenheit, diesen Komplex zu überwinden. Nicht jeder muss das Ziel haben, ein großes Bühnensolo zu singen. Aber wer ernsthafte Ambitionen zeigt, hat an der Musikschule Mönchengladbach viele Möglichkeiten. Und regelmäßig schaffen Schüler der Gesangsklasse die Aufnahmeprüfung zu einem der hart umkämpften Plätze an der Hochschule.

Berühmte Gesangsstücke

In der „Arie der Königin der Nacht“ aus Mozarts „Zauberflöte“ erklingt der höchste Ton, der Sopranistinnen jemals in die Noten geschrieben wurde: das dreigestrichene F. Die bitterböse Königin der Nacht schreit sich da ihre Wut aus dem Herzen. Schon manch ein Weltstar ist an dieser Stelle verunglückt. Aber wenn eine Sängerin das brutal hohe „Ha ha ha ha“ der Koloratur-Arie schafft, ist ihr donnernder Applaus sicher. Händel hat für die Oper „Rinaldo“ eine der schönsten Barockarien der Welt geschaffen: „Lascia ch'io pianga“. Sie ist so warm, ruhig und traurig, dass man fast mitweint. Der schlichte Text lautet: „Lass mich mit Tränen mein Los beklagen“. Die sehnsuchtsvoll-liebliche „Barcarole“ aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ sollte man nicht zu oft hören. Sonst droht ein Ohrwurm. Das italienische Gondellied wiegt sich rhythmisch im 6/8-Takt. Mehr Venedig geht nicht. „Die Liebe ist ein wilder Vogel“ singt Carmen in der gleichnamigen Bizet-Oper. Ihre berühmte Habanera-Arie im Tango-Rhythmus ist so sinnlich, dass es bei der Uraufführung Ärger gab, das Stück sei zu anrüchig. Inzwischen ist „Carmen“ eine der meistgespielten Opern. 

Maria Dewies

Gesangsstudentin aus der Ukraine

Auf der Bühne vergesse ich all solche Gedanken und mache, was ich am meisten liebe: meine Musik.

Als Maria Dewies mit 14 Jahren nach Deutschland kam, sprach sie nur ukrainisch und russisch. „In der Schule wollte niemand gerne mit mir reden. Aber die Musikschule hat mich gerettet. Dort war ich immer willkommen.“ Bei einer Chor- und Orchesterfahrt nach Florenz war sie erstaunt, weil alle sie mit ihrem Vornamen ansprachen. Maria ist zart und nur 1,60 Meter groß. Aber sie hatte schon damals eine außergewöhnliche Sopranstimme, die jeden Saal füllte. Sie durfte viele Soli singen, wurde Jungstudentin, inzwischen ist sie an der Hochschule Köln auf dem Weg zum Master-Abschluss. „Ich bin ein Bühnen-Tier“, sagt sie. „Auf der Bühne bin ich nicht die kleine, total unfotogene Maria, die sich schämt. Da vergesse ich all solche Gedanken und mache, was ich am meisten liebe: meine Musik. Das mit dem Publikum zu teilen, ist für mich intensives Glück.“

 

 

Peter Rembold

Opernsänger am Theater Koblenz

Marie Lina Hanke (links) und Elisabeth Pfeiffer waren Musikschülerinnen. Sie studieren inzwischen beide Gesang.

Als Kind fand Peter Rembold Opernsänger im Radio schrecklich. „Was für eine gewalttätige, rohe Form zu singen“, dachte er. Heute ist er selbst Bariton im Opernchor und Solist beim Theater Koblenz. Und er hat nicht nur seine Einstellung zu klassischem Gesang verändert. Der Gesang hat auch ihn und sein Leben verändert. In der Schule sei er ein Störenfried und Klassenclown gewesen, erzählt Peter. Er wiederholte eine Klasse, brach das Gymnasium ab. „Ich war aufsässig, weil ich nirgendwo Anerkennung bekam.“ Als Peter im Chor Talent zeigte, meldeten seine Eltern ihn zum Gesangsunterricht bei Klaus Paulsen an. Nach der ersten Stunde ging Paulsen mit ihm in die Münsterkirche und sagte: „Und jetzt hier.“ Noch heute erinnert sich Peter genau an das irre Gefühl, alleine in einer riesigen Kirche zu singen. Er durfte beim nächsten Weihnachtskonzert ein Solo singen und bei zwei Opernaufführungen die Titelrollen. „Ich hatte weder Zeit noch Grund zu rebellieren, weil das alles Spaß gemacht hat.“ Und weil er spürte, dass sein Lehrer ihn mochte. Er erzählt auch von einem sehr respektvollen, den Kindern zugewandten Klima in der Musikschule. Peter schaffte auf Anhieb die Aufnahmeprüfung zur Hochschule und bekam ein festes Engagement in Koblenz. Wenn für ein komisches Stück geprobt wird, fällt es ihm heute extrem leicht, Ideen beizusteuern. Da schöpfe er aus seiner Erfahrung als Klassenclown, sagt er. Dann denkt er: „Wie schön, dass ich für meinen Quatsch heute sogar Geld bekomme.“

 

Übrigens...

Müssen Sänger dick sein? In den lauten, hochdramatischen Gesangsrollen sehen wir oft sehr füllige Sopranistinnen und Tenöre. Aus medizinischer Sicht gibt es dafür aber keinen Grund. Die Stimme wird im Kehlkopf gebildet. Ein dicker Bauch trägt nicht zu ihrer Stärke und Belastbarkeit bei. Mediziner haben eine andere Erklärung: Der Job ist sehr stressig. Und viele essen erst abends nach der Probe oder der Vorstellung. Da setzen Kalorien schneller an.