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Die Baugeschichte des Münsters umfasst mehr als 1.000 Jahre. Eine dichte Abfolge von Baumaßnahmen ließ ein Gemenge an Bauformen und Gestaltungsdetails, eine markante Silhouette und ein städtebaulich wie architektonisch unverwechselbares Ensemble auf dem Abteiberg entstehen.
Das heutige Münster ist bereits die dritte romanische Abteikirche an dieser Stelle, sie wurde durch den Anbau der gotischen Chorhalle im Spätmittelalter baulich erweitert. Der Gründungsbau (Bau I, ca. 974-1000) war ein einschiffiger Saalbau etwa in Breite des Mittelschiffs. Er ist nur noch archäologisch nachzuweisen. Über Jahrhunderte blieb die Kirche eine Baustelle.
Abt Adalbero (Abt ca. 1090-1110) plante einen großzügigen Neubau, von dem jedoch nur der Chor mit den Nebenchören und der erhaltenen Krypta ausgeführt wurden.
Abt Christian (Abt ca. 1110-1129) ließ Seitenschiffe und zwei Kapellen bauen.
Über das um Seitenschiffe und den neuen Ostchor erweiterte Kirchengebäude (Bau II, um 1100-1116) fehlen schriftliche Baunachrichten.
Abt Rupert (Abt um 1158-1183) begann mit dem Bau einer dritten Kirche, dem heutigen Münster (Bau III, 1180-1183). Es entstand der Kern des als Dreiturmgruppe geplanten, aber unvollendeten Westwerks. Erst Abt Gerhard (Abt um 1215-1239/40) wandte sich dem Langhaus zu. Er ließ den frühromanischen Saalbau der Gründungskirche niederlegen und eine dreischiffige Basilika im gebundenen System mit drei Jochen im Langhaus und der vor dem südlichen Seitenschiff liegenden Apostelkapelle errichten (Bau IV, 1228-1239). Das auf Wölbung angelegte Langhaus erhielt eine hölzerne Flachdecke, die erst im 2. Viertel des 15. Jh. unter Abt Wilhelm Rouver I. von Wevelinghoven (Abt 1424- resigniert 1450) durch steinerne, spätgotische Gewölbe ersetzt wurde.
Sowohl Westwerk als auch Langhaus blieben unvollendet, aufgrund der Verschuldung der Abtei konnte die Kirche nach Osten nicht mit der geplanten Dreikonchenanlage nach den Vorbildern von Groß St. Martin oder St. Aposteln in Köln geschlossen werden.
Trotz der desolaten Wirtschaftslage ließ Abt Theoderich (Abt um 1256 - um 1301) kurz nach 1256 die frühromanische Choranlage des 11. Jh. bis auf die Krypta niederlegen. Baumeister Gerhard von Rile (um 1210/15-1271) übernahm die Aufgabe, über der Krypta eine filigrane, von Licht durchflutete Chorhalle mit anschließender Sakristei, dem Stephans-Chor im Süden und dem Martins-Chor im Norden im Stil der französischen Kathedralgotik zu errichten (Bau V, 1256-1275).
Die Schlusssteine des Chores und die Ausstattung der Sakristei belegen die herausragende Steinmetzkunst der aus seiner Werkstatt stammenden Bauplastik. Für die Chorhalle entstand das Bibelfenster, das in zwei Fensterbahnen Szenen des Alten Testaments den neutestamentlichen Szenen aus dem Leben Jesu gegenüberstellt. Es gehört zu den bedeutendsten Kunstwerken des 13. Jh. im Rheinland.
Am 28. April 1275 benedizierte Albertus Magnus den neuen Hochaltar des Chorhauses. Abt Wilhelm von Oranien (Abt 1334-1366) ließ das Westwerk nach 1343 mit einem oktogonalen dritten Turmgeschoss unter Pyramidenhelm ergänzen. Damit hatte das Münster weitgehend die heutige Gestalt erhalten.
Nach der Säkularisation des Klosters fand das Münster weder Beachtung noch Pflege. Erst mit Vincenz Statz (1819-1898) begann 1857-1862 die Tätigkeit der großen Baumeister des 19. Jh. im Rheinland. Er stoppte den baulichen Verfall, griff aber auch dem Zeitgeist entsprechend rigoros in die mittelalterliche Bausubstanz ein. Er entfernte die gesamte nachmittelalterliche Ausstattung und ersetzte sie durch ein neogotisches Interieur. Als Pendant zum nördlichen Zugang des 14. Jh. schuf er auf der Südseite des Westturmes einen Treppenaufgang in die Abtskapelle.
Julius Busch (1838-1912) entfernte 1890/92 die Barockhaube und erhöhte den Turm um ein gemauertes Geschoss unter einem spitzen achtseitigen Helm, wodurch sich die Proportionen der Kirchensilhouette nachteilig veränderten. 1904 führte Josef Kleesattel (1852-1926) weitere Instandsetzungsarbeiten an den Fassaden aus. Aufgrund der Verwertung der Kupfereindeckung wurde der Helm nach 1914 bis auf den steinernen Turmschaft abgenommen.
Am 30./31. August 1943 und erneut am 10./11. September 1944 zerstörten Fliegerangriffe die Kirche bis auf die Außenmauern. Die Dächer brannten aus, wodurch fast alle Gewölbe sowie das Mittelschiff der Krypta einstürzten. Es ist kaum zu glauben, dass die gotischen Schlusssteine der Chorhalle dabei nicht verloren gingen, sondern nahezu unbeschädigt im Schutt der Krypta geborgen werden konnten. Die sakrale Ausstattung ging weitgehend verloren und die frei stehenden Außenwände der Kirche waren schutzlos der Witterung ausgesetzt.
Auf Initiative der Mönchengladbacher Bürgerschaft gründete sich unter Führung von Hans Bange (1909-1992) der Münster-Bauverein, 1946/48 begannen die Arbeiten zur Sicherung der Kirchenruine. Für den Wiederaufbau zeichnete der Architekt Konrad Bayer (1910-1993) verantwortlich.
Ziel waren die Wiederherstellung des mittelalterlichen Erscheinungsbildes und der Rückbau der Änderungen aus dem 19. Jh. Der Hauptturm wurde auf die romanische Höhe rückgebaut und erhielt wieder ein flaches, achtseitiges Zeltdach. Der Aufgang zum Martinschor wurde zurückverlegt, die 1858/61 neu angelegte Mitteltreppe zur Krypta wieder aufgegeben und an die Stelle der beiden seitlichen Zugänge des 13. Jh. zurückverlegt. Durch Wiederherstellung der Triforien gewann man die spätromanische Gliederung der inneren Hochschiffwände zurück. Hugo Borger dokumentierte durch seine archäologische Grabung nicht nur über 250 Bestattungen im Innern des Münsters, sondern erschloss auch neue Erkenntnisse zur komplexen Baugeschichte der Kirche.
Bis 1958 war der Wiederaufbau der Basilika weitgehend abgeschlossen. 1959 ersetzte Bildhauer Peter Haak die verlorenen Filialen der Chorhalle durch abstrahierte Engelsfiguren aus Muschelkalk. Die Orgelbauwerkstatt Rieger stellte 1961 eine neue Orgel in der Abtskapelle auf. Der Münster-Bauverein setzte sich auch für die künstlerische Innenausstattung ein: Ewald Mataré schuf den neuen Hochaltar (1958), von Franz Gutmann stammen der Bronzeeinsatz (1975) für das romanische Taufbecken, die Eisengusstür (1975) des Südportals und die Ecclesia (1997) in der Apostelkapelle, Elmar Hillebrandt gestaltete Triumphkreuz (1975), Ambo (1991) und Standleuchter (1996). Bis in die 1980er Jahre lieferten Entwürfe zeitgenössischer Kunstverglasungen Wilhem Geyer für Chor (1955-65) und Nordschiff (1960), Daan Wildschut für Obergaden (1958) und Abtskapelle (1961), Wilhelm Buschulte für das Südschiff (1975), Hans Lünenborg für die Sakristei (1981) und Georg Meistermann für die Krypta (1986).
1974 erhob Papst Paul VI. (1963-1978) anlässlich der 900-Jahrfeier die ehemalige Klosterkirche beim 84. Deutschen Katholikentag zur päpstlichen Basilica minor.
Umfassende Sanierungsarbeiten mit statisch-konstruktiver Sicherung, Austausch verwitterter Tuffsteine, neuem Schieferdach und einer auf Basis der mittelalterlichen Originalausmalung umgesetzten Innensanierung schlossen die jahrelangen Bauarbeiten zur Heiligtumsfahrt 2007 ab.