
Interkommunaler Ethikbeirat Smart City der Städte Mönchengladbach und Krefeld
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Interkommunaler Ethikbeirat Smart City der Städte Mönchengladbach und Krefeld
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Herausforderungen & Hintergrund
Der Interkommunale Ethikbeirat Smart City der Städte Mönchengladbach und Krefeld wurde gegründet, um die ethischen Herausforderungen der digitalen Transformation aktiv zu begleiten. Durch die zunehmende Vernetzung urbaner Infrastrukturen und die Nutzung großer Datenmengen entstehen neue Möglichkeiten für Smart-City-Projekte. Gleichzeitig müssen Städte sicherstellen, dass Innovationen mit Datenschutz, gesellschaftlicher Verantwortung und Transparenz vereinbar sind.
Während die Nutzung von Daten erhebliche Effizienzgewinne verspricht, stellt sich die Frage, wie diese Prozesse so gestaltet werden können, dass sie mit gesellschaftlichen Werten, Grundrechten und Datenschutzvorgaben vereinbar sind. Besonders herausfordernd ist hierbei die Transparenz der Datenerfassung und -nutzung: Wie können Bürger*innen nachvollziehen, welche Daten von ihnen erfasst werden, zu welchem Zweck sie genutzt und welche Maßnahmen zu ihrem Schutz ergriffen werden? Das Gremium ist unabhängig und nicht an politische oder wirtschaftliche Interessen gebunden, sodass eine objektive und sachliche Bewertung digitaler Projekte gewährleistet werden kann.
Der Beirat ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das digitale Projekte auf ethische Fragestellungen hin überprüft und mögliche Risiken erkennt. Er unterstützt Verwaltungen und politische Entscheidungsträger*innen mit fundierten Handlungsempfehlungen. Der Beirat steht somit vor der Aufgabe, nicht nur ethische Grundsätze zu definieren, sondern auch eine gesellschaftliche und politische Akzeptanz für diese zu schaffen.
Zielsetzung & Vorgehen
Ein zentrales Ziel des Beirats ist die ethische Begleitung digitaler Smart-City-Projekte. In einer zunehmend datengetriebenen Stadtentwicklung stellt sich die Frage, wie Daten verantwortungsvoll erhoben, verarbeitet und genutzt werden können, ohne die Privatsphäre der Bürger*innen zu gefährden. Der Beirat analysiert digitale Vorhaben daraufhin, ob sie ethisch vertretbar sind, ob sie gesellschaftliche Auswirkungen haben und wie sich Chancen und Risiken neuer Technologien abwägen lassen. Damit trägt er dazu bei, dass digitale Innovationen nicht nur technisch effizient, sondern auch ethisch vertretbar und sozial nachhaltig umgesetzt werden.
Als beratendes Gremium formuliert der Beirat Handlungsempfehlungen für die Verwaltung, die als Entscheidungsgrundlage für digitale Projekte dienen. Diese Empfehlungen beruhen auf interdisziplinären Analysen und tragen dazu bei, dass Städte technologische Innovationen bewusst steuern und mit gesellschaftlichen Werten in Einklang bringen. Alle Stellungnahmen werden über den Smart City Blog veröffentlicht und tragen dazu bei, dass andere Städte mit vergleichbaren Projektinhalten ethische Leitplanken nachnutzen können.
Die Mitglieder des Interkommunalen Ethikbeirats Smart City werden formlos durch den Beirat selbst berufen und sind für eine Amtszeit von drei Jahren tätig. Sie können bis zu drei Mal erneut ins Amt berufen werden. Neue Mitglieder können durch den Beirat ausgewählt werden. Um die Arbeit des Beirats nach außen zu vertreten, wählen die Mitglieder einen Vorsitzenden, der als Ansprechpartner für Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit fungiert.
Der Interkommunale Ethikbeirat Smart City tagt zweimal im Jahr, kann aber bei Bedarf häufiger einberufen werden. Die Sitzungen finden bevorzugt in Präsenz, bei Bedarf auch online, statt. Datenschutzrechtliche und technische Fragen werden gesondert geprüft, um eine ethische Bewertung zu gewährleisten ohne, dass datenschutzrechtlichen Fragestellungen die Diskussion dominieren. Grundsätzlich sind die Sitzungen nicht öffentlich, jedoch kann der Beirat entscheiden, sie bei besonderem öffentlichem Interesse zugänglich zu machen.
Hier stehen wir aktuell:
Das erste Treffen des Beirats fand am 9. November 2022 statt und beschloss gleichzeitig dessen Gründung mit interkommunaler Ausrichtung für die Städte Mönchengladbach und Krefeld. Seitdem trifft sich das Gremium zweimal im Jahr, wobei die Sitzungen abwechselnd in Mönchengladbach und Krefeld stattfinden. Diese interkommunale Zusammenarbeit ermöglicht den Austausch über Best Practices und sorgt dafür, dass ethische Fragestellungen in der Smart-City-Entwicklung regional abgestimmt werden.
Die Mitglieder des Beirats stammen aus verschiedenen gesellschaftlichen und fachlichen Bereichen, um eine möglichst breite Perspektive auf digitale Herausforderungen zu ermöglichen. Dazu gehören aktuell Expert*innen aus Wissenschaft und Bildung, der sozialen Arbeit, Jugendvertretungen und Migrationsorganisationen. Durch diese Vielfalt an Fachrichtungen und Perspektiven stellt der Beirat sicher, dass ethische Fragen in der Digitalisierung ganzheitlich betrachtet werden und unterschiedliche Bedürfnisse innerhalb der Stadtgesellschaft Berücksichtigung finden.
Die Frage, wie Politik und Verwaltung dazu bewegt werden können, die formulierten ethischen Standards zu übernehmen und in konkrete Maßnahmen zu überführen, ist daher von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Beirats. Innerhalb des Projektverlaufs wird diese Frage aktuell geklärt und erprobt. Der Beirat ist beispielsweise dazu befähigt jederzeit Verwaltungsprojekte proaktiv in die Sitzung aufzunehmen.
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
Schritt 4
Schritt 5
Erkenntnisse & Lösungen
1. Erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
Der Interkommunale Ethikbeirat Smart City hat sich in einer seiner ersten Sitzungen mit zwei zentralen Anwendungsfällen befasst: der Sicherheits- und Lärmsituation auf einem öffentlichen Platz sowie dem Parkplatzmangel und der Nutzung von E-Ladestationen. Es wurden verschiedene Level des Eingreifens formuliert, die durch den Beirat diskutiert wurden.
Im ersten Anwendungsfall wurde die zunehmende Ruhestörung und Verschmutzung an einem öffentlichen Platz in der Stadt Krefeld als Problem identifiziert. Zur Verbesserung der Situation wurden von der Stadt Krefeld verschiedene Szenarien vorgestellt, die unterschiedlich starkes Eingreifen vorsehen:
- Die Ausstattung von Straßenlaternen mit Bewegungsmeldern, um das Sicherheitsempfinden vor Ort zu erhöhen.
- Eine flexible Intensivierung der Helligkeit durch Lautstärkemessung in Kombination einer Messung der Personenzahl auf Basis der Handydaten. Des Weiteren wurde darüber gesprochen, ob unterschiedliche Lichtfarben eine Auswirkung auf die Aufenthaltsqualität vor Ort haben. Sofern dieser Effekt besteht wäre es denkbar unterschiedliche Lichtfarben an öffentlichen Plätzen einzusetzen.
- Automatische Alarmierung des Ordnungsamtes, wenn der zulässige Geräuschpegel überschritten wird.
Das Beratungsergebnis: In der Diskussion wurden Herausforderungen, wie die Störung von Anwohnenden durch helles Licht, die unklare Wirkung von Licht auf das Verhalten der Menschen sowie der Interessenkonflikt zwischen Sicherheit und Lebensqualität thematisiert. Zudem wurde vorgeschlagen, alternative Sensorik wie Radar zu prüfen, da Bluetooth- und WLAN-basierte Erfassung ggfs. umgangen werden kann. Als ergänzende Maßnahme wurde der Einsatz von Nudging-Techniken, etwa durch Lautsprecherdurchsagen oder Display-Warnungen, vor behördlichen Maßnahmen in Betracht gezogen. Auf diese Weise bekommen die Menschen durch einen Hinweis vor Ort noch einmal die Möglichkeit ihr Verhalten anzupassen, bevor die nächste Stufe (Alarmierung des Ordnungsamtes) eingeleitet wird. Eine unmittelbare Datenerhebung zur Analyse und Abgleich mit Beschwerden könnte ebenfalls helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus wurde betont, dass Ruhestörung und Verschmutzung getrennt betrachtet werden müssen und eine umfassende Einbindung der Anwohner*innen erforderlich ist, um Akzeptanz und Transparenz für die Maßnahmen zu schaffen.
Ein weiterer Anwendungsfall mit dem man sich befasste ist die Mobilitätswende und die Lademöglichkeiten für E-Autos in der Stadt Mönchengladbach und der Frage, wie Falschparken an E-Ladesäulen mithilfe von Sensorik effektiver kontrolliert werden kann. Durch Datenanalysen ist in einem Pilotprojekt ausgewertet worden, ob ein Auto ohne Ladevorgang den Parkplatz an der E-Ladesäule blockiert oder ob ein Auto nach dem Ladevorgang die erlaubte Parkzeit überschreitet und einen Parkverstoß begeht.
- Für dieses Thema stellte die Stadt Mönchengladbach die folgenden verschiedene Szenarien vor, die unterschiedlich starkes Eingreifen vorsehen: Vermerk des Verstoßes ohne Ahndung.
- Bei Ablauf der erlaubten Parkdauer und Überschreitung dessen von 5 Minuten könnte automatisiert das Ordnungsamt gerufen werden, um den Verstoß zu ahnden.
- Durch zusätzliche Technik könnte das Kennzeichen ausgelesen werden, sodass automatisiert, ohne Vorortbegehung des Ordnungsamtes, der Verstoß geahndet wird.
Das Beratungsergebnis: Der Beirat beriet über den Vorschlag die vorgeschlagene Karenzzeit von 5 Minuten für Parkverbote anzupassen und zu prüfen, ob das Blockieren einer Ladestation eine rechtliche Grundlage für das Abschleppen darstellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Zuverlässigkeit der prognostizierten Ladedauer, um unbeabsichtigte Verstöße von absichtlichem Fehlverhalten zu unterscheiden. Da ggfs. Personalmangel in der Verwaltung eine konsequente Überwachung und Ahndung von Parkverstößen erschwert, wurde betont, dass langfristig automatisierte Lösungen notwendig sind, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Gleichzeitig wurde festgehalten, dass viele Städte die technischen Möglichkeiten der Ahnung von Parkverstößen an E-Ladesäulen nicht ausschöpfen, aus Sorge um das Vertrauen der Bürger*innen in digitale Technologien. Eine klare Kommunikation über die Zielsetzung der Maßnahmen – insbesondere die gerechte Nutzung begrenzter Ressourcen – sei daher essenziell. Um die Akzeptanz neuer Kontrollmaßnahmen zu erhöhen, wurde vorgeschlagen, Tests mit der Bürgerschaft durchzuführen und Nudging-Techniken, wie Hinweise auf den Parkverstoß ohne sofortige Sanktionen, einzusetzen. In diesem Fall haben die Betroffenen die Möglichkeit ihr Verhalten proaktiv anzupassen, bevor die Ahndung eingeleitet wird. Schließlich wurde diskutiert, ob eine Privatisierung der Parkraumbewirtschaftung, beispielsweise durch die Stadtwerke oder private Anbieter, eine Alternative zur kommunalen Überwachung sein könnte.
Alle zukünftigen Ergebnisse der Sitzungen werden im Smart City Blog Mönchengladbach veröffentlicht, um Transparenz zu gewährleisten und die Öffentlichkeit über den Fortschritt der Maßnahmen zu informieren. Es ist zu beachten, dass es sich um eine Pilotphase handelt, in der der Interkommunale Ethikbeirat, seine Arbeitsweise und die Berücksichtigung von ethischen Gesichtspunkten in städtischen Projekten nach und nach weiterentwickelt werden, um eine Verstetigung des Beirats in 2027 zu erreichen.
2. Erkenntnisse auf dem Weg zum Ethikbeirat Smart City
Die bisherigen Erfahrungen mit dem Interkommunalen Ethikbeirat Smart City haben gezeigt, dass das Interesse von Politik und Kommunen durch das Thema "Digitale Governance" groß ist. Besonders wertvoll ist dabei, dass die Ergebnisse aus den Diskussionen unmittelbar in laufende Smart-City-Projekte einfließen können.
Gleichzeitig wurden einige Herausforderungen sichtbar, etwa dass die Betreuung des Beirats intern erhebliche Ressourcen bindet. Zudem sollte der Beirat weiter wachsen, um mehr fachliche Vielfalt zu ermöglichen. Die Suche nach geeigneten Mitgliedern ist jedoch aufwendig, da sowohl fachliche als auch persönliche Eignung notwendig sind. Die Sitzungen sollten durch die fachlichen Projektleiter begleitet werden, um durch Rückfragen des Beirates an die Projektleitung Diskussionen gezielter zu gestalten.
3. Beirat als Bürgerbeteiligung und Transparenz
Der Interkommunale Ethikbeirat Smart City schafft neue Diskussionsräume, in denen Fachexperten die Belange der Bürger*innen indirekt beeinflussen und auf die digitale Stadtentwicklungsprozesse Einfluss nehmen können. Durch die Beratung der Verwaltung und die Formulierung ethischer Leitlinien sorgt er dafür, dass digitale Projekte nicht nur effizient, sondern auch gesellschaftlich akzeptabel sind.
Durch den Ethikbeirat wird Bürgerbeteiligung zu mehr als nur Umfragen oder einmaligen Workshops – sie wird zu einem kontinuierlichen Prozess, der langfristig eine nachhaltige, ethisch reflektierte Stadtentwicklung unterstützt.
Fragen an uns? smartcity@moenchengladbach.de