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Avantgarde-Architektur erleben in Rheydt

Die Moderne hält Einzug (2019)

Herunterladen: Broschüre herausgegeben anlässlich des "Tag des offenen Denkmals 2019"

Neues Bauen in Mönchengladbach
"Die Moderne hält Einzug"

Aufgrund des 100-jährigen Bauhausjubiläums steht die Architekturepoche des Neuen Bauens in diesem Jahr international im Focus. Die Bauten, die dem Neuen Bauen zugerechnet werden, sind nach dem Ersten Weltkrieg bis in die frühen 1930er Jahre entstanden. Sie sind gekennzeichnet durch einen nüchtern-sachlichen Stil, der sich in kubischen und flach gedeckten Baukörper, meist hell geputzt, ausdrückt. Im Rheinland ist jedoch meist ziegelsteinsichtig gebaut worden.
Auch in Mönchengladbach finden sich Gebäude im Stil des Neuen Bauens. Hier ist besonders das Mädchenwohnheim des Maria-Lenssen-Berufskollegs an der Mühlenstraße hervorzuheben, einem herausragenden Beispiel der weißen Moderne. Als Beispiel für den Backsteinexpressionismus ist das Fabrikantenwohnhaus auf der Schwalmstraße zu nennen. Auch der Mietwohnungsbau jener Zeit ist vom Neuen Bauen inspiriert und zeigt, dass auch in Mönchengladbach die Ideen des Bauhauses auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Der Rundweg und die Erläuterungen geben einen spannenden Einblick in diese "Moderne".

 

Hugo-Junkers-Gymnasium, Aula
Brucknerallee 58
41236 Mönchengladbach

 

Ein bemerkenswertes Gebäude ist das für 60 Schülerinnen errichtete Wohnheim in der Mühlenstraße 33. Es entsteht in den Jahren 1933-1934 auf einem als Schulgarten genutzten Grundstück direkt südlich der von Maria Lenssen bereits 1870 gegründeten und nach ihr benannten Schule. Um den Bestand der Hauswirtschaftsschule zu sichern, schließt die Stadt Rheydt im November 1928 einen Vertrag mit dem Staat. Nach Plänen des Regierungsbaurats Bruno Kleinpoppen entsteht ein durch funktionale Grundrisse und großzügige Belichtung geprägtes modernes Wohnheim.

Das Gebäude setzt sich aus fünf kubischen, asymmetrisch einander zugeordneten Baukörpern unter Flachdächern zusammen. Der glatte Außenputz und ein weißer Anstrich sowie die von filigranen Stahlrahmen geprägten Fenster kennzeichnen es als einen den Ideen des Bauhauses folgenden, qualitätsvollen Vertreter moderner Architektur der frühen 1930er Jahre. Auch im Innern zeigt sich eine klare Formensprache. Monochrome, helle Wände kontrastieren mit farblich klar abgesetzten Böden und Treppen. Großflächige, zu Bändern zusammengefasste oder über Eck gestellte Fenster belichten die Räume, filigrane Stahlgeländer begleiten Etagen, Treppenläufe und Balkone.

Mitte der 1990er Jahren werden die Fensteranlagen unter Begleitung von Wolfgang Wefers in streng an den historischen Vorbildern orientierten Formen erneuert. Je zwei Zimmer werden entsprechend neuer Wohnansprüche mit einer gemeinsamen Nasszelle zu Wohneinheiten verbunden. Als funktionale Ergänzung folgen ab 1935 der Bau einer Turnhalle und eines Kindergartens, die wegen baulicher Veränderungen nicht als Denkmale ausgewiesen sind. Ein benachbart gelegenes Gartenhaus wartet zurzeit auf Sanierung und sinnvolle Nutzung.

Das Schülerinnenwohnheim zeigt Bauhausarchitektur. Es dokumentiert in authentischer Form Stadt-, Stadtbau- und Architekturgeschichte in Rheydt. Seine Erbauung während der Jahre 1932-1933 in einer durch die politischen Machthaber abgelehnten, auf Funktionalismus und klare Formen ausgerichteten modernen Gestaltung ist umso bemerkenswerter gerade in der Stadt, aus der Joseph Goebbels stammt. Diese Zusammenhänge sind bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht. Das Wohnheim mit dem ehemaligen Gartenhaus, einem klassizistischen Gartenpavillon und dem umgebenden Park ist bereits seit 1985 ein eingetragenes Baudenkmal.

Der in Köln ansässige Architekt Albrecht Doering entwirft 1928 für den Textilfabrikanten Richard Stern (*1892), seit 1923 Mitinhaber der von seinem Vater Moses Stern und Albert Herz 1892 gegründeten Mechanischen Weberei-Zwirnerei-Appretur Herz & Stern, ein Wohnhaus in der Charlottenstraße, der heutigen Oskar-Graemer-Straße. Die Bauunternehmung Karl Reuter GmbH aus Köln führt den modernen Bau aus. Richard Stern übernimmt nach dem Tod des Vaters Moses Stern 1931 in Teilhaberschaft mit seinen Brüdern Julius M. und Arthur die Leitung der Textilfabrik. 1936 emigriert er mit seiner Familie nach Österreich, muss 1937 unter politischem Druck aus der Rheydter Firma ausscheiden und ist - nach Besetzung und Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 - schließlich in London ansässig.

Das klar gestaltete Wohngebäude entwickelt sich aus drei zwei- und dreigeschossig gestaffelten Kuben unter Flachdächern parallel zur Straße. Mit einem Terranova-Außenputz und den zu kurzen Fensterbändern zusammengefassten Hochrechteckfenstern an der Westseite zeigt der Baukörper eine klare, auf die Bauhaus-Ideen bezogene Gestaltung der Straßenfassade. An den übrigen Fassaden sind die Fensteröffnungen in differenzierter Verteilung eingesetzt. Zum Garten hin besitzt das Gebäude an der Südostseite einen zylindrischen Abschluss. Darin öffnen sich Erd- und Obergeschoss mit einer großzügigen Verglasung bzw. einem überdachten Freisitz.

Nach dem erzwungenen Eigentumsübergang 1939 erhält das Wohnhaus eine bereits 1928 geplante, an der Nordseite angeordnete Garage.

Die durch die Stadt vorbereitete Unterschutzstellung als Denkmal kann 1990 nicht umgesetzt werden, da dem Gebäude - auch aus heutiger Sicht nicht erklärlich - seitens der Landesdenkmalpflege der architektur- wie ortshistorische Zeugniswert abgesprochen wird. In den Jahren 2000 und 2010 werden Substanz und Erscheinungsbild des Hauses u. a. durch Aufstockungen und Umbauten im Innern erheblich verändert.

Trotz dieser Veränderungen dokumentiert das Wohngebäude Stadt-, Stadtbau- und Architekturgeschichte und ist einer der seltenen Vertreter der Bauhaus-Architektur in Rheydt.

Am westlichen Ende der Blumenstraße liegt der Bauplatz, für den die Bauunternehmung Lenz & Coenen aus Mönchengladbach Anfang November 1929 den Bauantrag zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses einreicht. Ein Architekt ist nicht überliefert, die Bauleitung wird durch eigene Arbeitskräfte übernommen.

Im Eckgebäude sind neben sechs Wohnungen mit "Küche, drei Zimmern, Bad mit Abort und Diele" in den drei Obergeschossen auch zwei weitere Wohnungen mit "Laden, Küche sowie einem bzw. zwei Zimmern, Bad mit Abort und Diele" im Erdgeschoss vorgesehen. Bereits Mitte August 1930 sind die Wohnungen bezugsfertig.

Die Bauherrschaft beantragt im Bauantrag Dispens, um in der "Bauzone 3 der Stadt Rheydt" dreigeschossig bauen zu dürfen. Sie macht darauf aufmerksam, dass man nicht nur dringend benötigten Wohnraum schaffen will, sondern aufgrund der Vereinigung der beiden Städte Mönchengladbach und Rheydt auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung des Wohnquartiers erwarte, da nach damaliger Ansicht der Neubau im wirtschaftlich expandierenden und nachgefragten Kern der neuen Großstadt gelegen sei. Dem Antrag wird entsprochen, allerdings darf nur die Hälfte des Dachgeschosses als Vollgeschoss ausgebaut werden. Dies hat die bis heute erkennbaren Auswirkungen auf die Gebäudegestaltung. Das modern wirkende Gebäude nimmt an der Einmündung des Lermenchenwegs in die Blumenstraße eine städtebaulich markante Ecklage ein. Der dreigeschossige Massivbau unter steilem Mansarddach betont durch das zusätzlich ausgebaute Dachgeschoss die Gebäudeecke an der Straßenkreuzung. Die Fassaden besitzen eine expressive Ziegelsteinverblendung, die in den Brüstungen als flach gemauerter Verband und zwischen den Fensteröffnungen als schichtweise vorspringende Ziegelreihen wechselt. Im Bereich der früheren Läden und der Sockel ist ein farbig gefasster Kammputz aufgetragen. Die querformatigen Fenster zeigen ausweislich der Baupläne ursprünglich dreibahnige Fenster mit Horizontalsprossen.

Die anschließenden Nachbargebäude Blumenstraße 11 mit vier Wohnungen, Lermenchesweg 4 mit acht Wohnungen und Lermenchesweg 6 mit vier Wohnungen setzen das in Ecklage errichtete Mehrfamilienhaus in gleicher Gestaltung fort. Die Belichtungen der Treppenhäuser sind als geschossübergreifende, von Ziegelsteinen gerahmte Fensterbahnen ausgeführt.

Mit der Fa. A. & H. Hilgers tritt ein weiteres Bauunternehmen im Umfeld der Brucknerallee und ihrer Nebenstraßen auf, das sich auf dem Gebiet des modernen Mietwohnungsbaus betätigt. Die Gebr. Hilgers stellen im August 1930 einen Bauantrag zur Errichtung eines Doppelwohnhauses mit sieben Wohnungen an der Einmündung des Lermencheswegs in die Cecilienstraße. Nach einigen kleineren Planänderungen werden die Wohnungen im September 1931 bezogen.

Das Wohngebäude ist als ein über Eck gestellter, zweiflügeliger Baukörper mit bis zu vier Geschossen und in Ziegelsteinmauerwerk ausgeführt. Beidseitig des mittig gelegenen, turmartig überhöhten Bauteils unter Flachdach schließt sich im Lermenchesweg und in der Cecilienstraße je ein dreigeschossiger Bauflügel unter Satteldach an. Um die städtebauliche Anpassung an das östlich Nachbargebäude zu wahren, ist in der Cecilienstraße die Dachgeschosswohnung hinter die Traufe zurückgesetzt.

Die turmartig überhöhte Gebäudeecke tritt hinter die beidseitig anschließenden, verputzten Fassadenebenen zurück. Als markant gestaltetes Bauteil entwickeln sich ihre Ziegelsteinfassaden aus den ebenfalls ziegelsteinsichtigen Erdgeschossen der Annexbauten, um in einem dritten Obergeschoss unter hoher, mit Dachgesims abschließender Attika zu enden. Die über Eck gestellten Fenster und die sägezahnartig vortretenden Ziegelsteine an der vorderen Gebäudekante unterstreichen die gestalterische Betonung des Bauteils.

Die historischen Fenster waren ursprünglich vorwiegend in Dreierteilung ausgeführt. Heute belichten jedoch Einscheibenverglasungen die Wohneinheiten. Die aus ein bis zwei Zimmern mit Küche und Bad bestehenden Wohnungen besitzen an den rückwärtigen Fassaden kleine Austritte bzw. Balkone in den Obergeschossen. Ursprünglich dienten sie wohl weniger der Erholung im Freien, sondern hatten vielmehr die Funktion als Wirtschaftsbalkone, auf denen z. B. häusliche Arbeiten erledigt und Wäsche getrocknet werden konnte. Hierauf weisen auch ihre ausschließlichen Zugänge aus den Küchen hin.

Das nach 90 Jahren immer noch modern wirkende Gebäude steht in städtebaulich wichtiger Lage und betont die Einmündung des Lermenchenwegs in die Cecilienstraße.

Die Bauunternehmung Lenz & Coenen verfolgt an einer weiteren prominenten Stelle Rheydts ein Bauvorhaben. An der Einmündung der Blumenstraße in die Brucknerallee verfolgt das Unternehmen ab 1933 die Errichtung eines weiteren Mehrfamilienhauses mit insgesamt zwölf Wohnungen mit zwei bzw. drei Zimmern, Küche, Diele und Bad. Die Wohnungsnot ist zu Beginn der 1930er Jahre nach wie vor groß und die Arbeitslosigkeit hoch. Daher verpflichtet sich die Firma ausdrücklich, beim Bau ausschließlich 30 "Wohlfahrtsempfänger" zu beschäftigen.

Das dreigeschossige, aus zwei Trakten bestehende Wohnhaus wird als Massivbau unter einem durchgehenden Satteldach errichtet. Die Fassaden erhalten einen hellen Edelputz, die Wohnungen werden durch große, querrechteckige Fenster belichtet. An der zur Brucknerallee ausgerichteten Gebäudeecke erhält das Gebäude durch ein viertes Geschoss einen kräftigen vertikalen Akzent. Unter einem Flachdach sind im Dachgeschoss Trocken- und Abstellräume untergebracht. An der Hausecke springen die Fassaden ein, sodass die in Ecklage gebauten Obergeschosswohnungen Balkone zur Brucknerallee erhalten. Alle anderen Wohnungen besitzen auf der Gartenseite Austritte bzw. Balkone in den Obergeschossen.

Der aus der Blumenstraße zugängliche Hauszugang zu Haus 51 liegt in einem zurückversetzten, in Ziegelmauerwerk ausgeführtem Bauteil, das in architektonischer Anpassung zur Nachbarbebauung überleitet.

Der Kaufmann Joseph Frerker reicht Anfang Februar 1935 ein Baugesuch zur Errichtung von zwei Mietwohnhäusern mit insgesamt 15 Wohnungen an der Straßeneinmündung der Freiheitsstraße in die Brucknerallee ein. Das viergeschossige Mehrfamilienhaus unter Walmdach, als Massivbau konzipiert, erhält durchgehend Betondecken und im ebenerdig zugänglichen Kellergeschoss fünf "Kraftwagenräume". Die Bauunternehmung A. & H. Hilgers errichtet nach Plänen von Leopold Rehinger das Eckgebäude. Schon im Oktober 1935 ist es bezugsfertig.

Das ebenerdige Kellergeschoss aus dunkelrot gebranntem Ziegelsteinmauerwerk nimmt die beiden sich gestuft verjüngenden Hauszugänge sowie die fünf Garagen auf. Über einer durchlaufenden Ziegelsteinrollschicht folgen die drei verputzten Geschosse. Sie sind durch die horizontale Reihung der vorwiegend querrechteckigen Fensteröffnungen geprägt. An der Straßeneinmündung ist die Gebäudeecke zurückversetzt und bietet den Eckwohnungen somit Raum für drei Balkone in der Freiheitsstraße. Das Dachgeschoss ist durch einige verschieferte Gauben markiert und dient nicht Wohnzwecken.

Es handelt sich sicherlich nicht um einen progressiv gestalteten Vertreter des Neuen Bauens. Dennoch ist das Gebäude durch seine klare Gestaltung sowie die Berücksichtigung von Bädern und Balkonen für alle, ein bis drei Zimmer umfassenden Wohnungen durch die Abkehr von traditionellen Wohn- und Gestaltungsformen verbunden.

Im Kreuzungsbereich von Brucknerallee und Nordstraße steht - anstelle des 1896 durch die Gebrüder Paul und Emil Schött enthüllten und während der alliierten Besetzung der Rheinlande 1920 wieder abgebauten Bismarckdenkmals - seit 1928 ein aus scharf gebrannten Ziegelsteinen gemauerter Uhrenturm. Entworfen hat ihn der seit 1921 vorrübergehend als Stadtbaumeister in Rheydt tätige Architekt Walter Fischer (1879-1954). Bereits seit der Bauphase wird er im Volksmund als "Fischerturm" bezeichnet.

In einem mit Blumen bepflanzten Rondell erhebt sich im Schnittpunkt der Straßenachsen über quadratischem Grundriss ein schlanker Mauerpfeiler, dessen Kanten durch die über Eck gestellten Ziegelsteine und eine vorkragende Abdeckplatte mit aufgesetzter Lichtkuppel akzentuiert werden. Auf seinen vier Seiten ist eine Uhr eingelassen.

Der Fischerturm ist in Materialauswahl und Materialverwendung einer expressionistischen Formensprache verbunden. Er ist seit 1986 als Baudenkmal geschützt.