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Dr. Paul Eßer

Dr. Paul Eßer

www.paul-esser.de

www.wikipedia.org

Biografie

Geboren 1939 in Mönchengladbach, wohnhaft zuletzt in Viersen. Kindheit in Österreich; Gymnasium und Abitur in Mönchengladbach; Studium der Anglistik und Germanistik in Köln; seit 1964 Lehrer- und Dozententätigkeit am Niederrhein, in London und Lissabon. 1981 Promotion mit einer sprachphilosophischen Arbeit an der Universität Düsseldorf; seit 1976 arbeitet Dr. Eßer als Studiendirektor mit den Fächern Deutsch und Englisch in der Erwachsenenbildung.

Der Autor schreibt Romane, Geschichten, Gedichte und Essays. Er hat im In- und Ausland gelesen, auch im WDR und ZDF. Als Linguist verfasst er gelegentlich auch Theoretisches zur Sprache. Er hat u.a. auch Lyrik und Prosa aus dem Portugiesischen und Spanischen ins Deutsche übersetzt.
Sein Beruf hat ihm lange Aufenthalte im Ausland ermöglicht, sowohl durch Lehrtätigkeit an Gymnasien und Hochschulen als auch durch Ferien und Beurlaubungen in den USA, Großbritannien und Irland, in Spanien, Südamerika, Nicaragua, Cuba, Mexiko, Griechenland sowie im Baltikum und in skandinavischen Ländern.

Wohlgefällig und erbaulich zu schreiben, ist nicht Eßers Art, vielmehr appelliert seine oft bissige Schreibe voller Nadelstiche und Seitenhiebe an die Kritikfähigkeit und Nachdenklichkeit seiner Leser. Über seine Lyrik urteilen seine Kritiker: "Musikalität der Texte, virtuoses Spiel mit großem lyrischen Formenreichtum, ein hohes Maß an Sprach- und Rhythmusgefühl, provokant und wortgewaltig".

Der Autor ist Vorsitzender des Regionalverbandes Niederrhein Deutscher Schriftsteller in der IG Medien, war in verschiedenen Jurys bei Literaturpreisvergaben und hat selbst verschiedene Literaturpreise erhalten (u.a. Nikolaus-Lenau-Preis, Kinder- und Jugendbuchpreis "Eberhard 97").

Paul Eßer verstarb am 20.8.2020 in Viersen

Bibliografie

(nur Bücher, nur Belletristik)

1985
Scheitelpunkt. Gedichte.
Mönchengladbach ISBN 3-925668-00-4 

1985
Spruchband. Aphorismen.
Mönchengladbach ISBN 3-925668-01-2 

1989
Kalte Heimat. Kurzgeschichten von Aus- und Aufsteigern. Mit einem Vorwort von Günter Wallraff.
Mönchengladbach ISBN 3-9801829-0-8
 
1990
Teure Heimat. Gedanken, Gedichte, Geschichten zu einem verbreiteten Amputationsschmerz.
Bad Cannstatt ISBN 3-921741-04-1
 
1990
Ich hab mich allzu lang in deinem Aug' besehn. Beziehungsweisen.
Loßheim ISBN 3-927932-02-7 

1990
Jugendliebe. Ein Männerroman.
Frankfurt/M ISBN 3-89406-219-3 

1993
Traumfrauen. Kurzgeschichten.
Krefeld ISBN 3-922690-48-3 

1993
Gebrochen Deutsch. Gedichte.
Krefeld ISBN 3-922690-47-5 

1997
Mythos Niederrhein. Nachruf auf eine schwierige Heimat.
Sankt Augustin ISBN 3-929634-28-7
 
1998
Die Wortemacher. Portrait einer heillosen Zunft.
Nettetal ISBN 3-920743-82-2 

2000
Dealer Wallfahrt. Ein niederrheinischer Szene-Roman.
Sankt Augustin ISBN 3-929634-48-1 

2002
Jenseits der Kopfweiden. Sprache und Literatur am Niederrhein
ISBN 3-933749-83-2 

2009
Niederrhein - Gedanken und Geschichten
Sankt Augustin 


 

Leseprobe

Rolling Home: wortspielender Schlüssel für eine neue Form des Reisens in den Zeiten einer grenzlosen Mobilität? Ein neuer Typ von Reisenden sei unterwegs, legt doch der erste Blick nahe. Schaut man etwas länger hin - so etwa zwanzig Jahre - zeichnet sich auch hier nur wieder die uralte widerspruchsvolle Unrast ab - diesmal in Blech und Plastik, eine Bewegung, die jedesmal ins Beharren zurückführt, aus dem sie ursächlich hervorgeht.

Die es von ihrer gewohnten Route zwischen Kühlschrank und Fernsehsessel auf die wilde Autobahn hinaustreibt, ins freie Leben, lieben sie nicht bei allem Fortstreben die Heimat so sehr, daß sie nie und nirgendwo von ihr lassen möchten, sogar mit ihr verreisen, von Platz zu Platz zuckeln, die rollende Heimat am Hacken ihrer Pferdestärken? Ambulante Häuslichkeit mit Salat- und Satellitenschüssel in der Mini-Villa auf Rädern. Die Dimension bescheidener Abenteuerlichkeit eröffnet sich jenen, die in der eigener Tapete touren, wenn der Gespannführer im Endlosstau vor Rimini bemerkt, daß die Kühlbox leer ist oder wenn zu später Stunde der Sprit ausgeht oder einmal der Stellplatz nicht alle Anschlüsse aufweist. Anschluß ist wichtig. An Strom und Wasser, an den Minimarkt und - zum Austausch technischer Informationen - an andere Zeit-Nomaden, die Erfahrung gesammelt haben unterwegs daheim im großen Treck nach Überall und Nirgendwo.

Wie aber reagiert der in die Jahre kommende Wohnwagenmobilist auf die alte Grundspannung der Menschheitsgeschichte, auf das ewige Hin und Her und Her zwischen nomadischem Trieb und Drang zur Seßhaftigkeit, zwischen Bewegungs- und Beharrungsstreben? Mein Nachbar hat sich zu einem Kompromiß von bemerkenswerter Konsequenz entschlossen. Genauer: mein ehemaliger Nachbar. Ich habe keinen Nachbar mehr. Er ist fortgezogen. Nicht mit seinem Wohnwagen, sondern in seinen Wohnwagen. Endgültig.

Er hat ihn aufgebockt. Irgendwo auf einem Campingplatz an einem Badesee. Mit Vorgärtchen, Hausnummer, Briefkasten und Müllabfuhr. Er nennt sich Dauergast und seinen Wohnwagen Mobilheim. Obwohl der gar keine Räder mehr hat.

Der sich hier randständig zur Ruhe gesetzt hat, zieht sich, bei Dosenbier und Salzstangen mit seiner belgischen Eichenholzgarnitur verwachsend, zwischen allerlei teleidiotischem Serienmüll immer noch gern den Verkehrsfunk rein. Da schmunzelt er bei Unfall- oder Staumeldungen, da schüttelt er den Kopf über Geisterfahrer und all die anderen Verrückten, die nicht in ihren vier Wänden bleiben können.
Südliche Strände lächeln ihn nur noch aus dem Album an. Glanzbilder lassen Gedanken an anstrengende Ferienarbeit allmählich verblassen, die verklärende Erinnerung unterschlägt die Familienneurosen im Urlaubsgepäck, die erst unter Palmen und Oleander so recht erblühten - lautstark oder gezischelt.

Strandleben, vom Zoom herangezogen: Die Kölner Heinzelmännchen transportieren, bauen auf, bauen ab, reparieren, planen und wischen sich den Schweiß von der strohbehüteten Stirn. Und nicht bloß am Strand steht der Gestreßte voll in der Pflicht. Mahlzeiten, Ausflüge, Sport, Einkäufe, alles will wohl organisiert sein.

Selbst das Ruhen am Meer oder am Pool - eine Art Freizeit von der Freizeit - hat Arbeits-, ja Wettbewerbscharakter: Entschlossen stellt sich der fremde Gast dem chemisch unterstützten Kampf um die dunkelste Tönung seiner nördlichen Schweinchen-Haut, strebt inbrünstig nach dem statusfördernden bräunlich-gelben Farbton von Kinderscheiße.

Bieder- und Ballermänner führen vor, wie total eine am Konsum orientierte Gesellschaft ihre Mitglieder im Griff hat: sie gönnt ihnen auch auf Mallorca keine Pause. Auch bei denen, die um die halbe Welt fliegen, konturieren sich Beweg-Gründe und Erwartungen nicht weniger paradox als bei den Wohnwagenfahrern: die Globetrotter wollen primär nicht irgendwohin, sondern von dort weg, wo sie sind, anderseits erwarten sie, daß dort, wo sie hinfahren, alles so ist, wie dort, wo sie herkommen. Die aus dem trostlosen Einerlei ihrer Schöner-Wohnen-Höllen fliehen, bestehen auf der anderen Seite des Globus darauf, ein zweites Zuhause vorzufinden, ergänzt um Strand und Sonne. Selbstverständlicher Komfort: ein Zimmer mit Heimatkontakt via Satelliten-TV und Telefon, mit Klimaanlage und ohne Mücken. Ein luxuriöser Pool ist Standard, das Meer gleich dahinter, als Kulisse für das fotografische Beweismaterial.

(aus: Unterwegs daheim, unveröffentlicht)