Bände der Volksvereinsbücherei restauriert
Westdeutsche Zeitung, 17.12.97, Artikel von Heike Byn
94.000 Bände umfaßt die einzigartige Bibliothek des Mönchengladbacher Volksvereins. Die Sammlung von sozial- und religionswissenschaftlichem Schriftum aus mehreren Jahrhunderten ist in Obhut der Stadtbücherei. Dort sorgt man sich um den Zustand vieler der seltenen Werke. Sie sind vom Zerfall bedroht. Um sie zu retten, sind aufwendige Restaurierungsverfahren nötig. Der Anfang ist gemacht: Ein Dutzend sehr selterner Zeitschriften-Drucke sind von einer Fachwerkstatt wieder hergestellt worden, weitere folgen. Bibliotheksleiter Guido Weyer sieht einen "kulturellen Auftrag der Stadt, die kostbaren Bände vor Verfall zu bewahren".
Wobei er nicht unbedingt an öffentliche Gelder denkt. Neue Ideen sind gefragt, Antworten noch nicht gefunden. Jedenfalls keine, die schnelle Hilfe für den gesamten riesigen Bestand versprächen. "Es sind vor allem Bücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die wegen des hohen Säuregehalts des Papiers vom Zerfall bedroht sind. Die Blätter werden braun, das Papier zerbröselt beinahe zwischen den Fingern." So beschreibt Dr. Karl Ferdinand Beßelmann das Kernproblem. Der Kölner Historiker von der "Arbeitsstelle zur Erschließung und Nutzbarmachung historischer Buchbestände im Rheinland" betreut das Mönchengladbach/er Vorhaben mit. Die Arbeitsstelle vergibt auch die Landesmittel für einzelne Projekte und arbeitet bundesweit mit Restauratoren zusammen.
Diese Fachleute arbeiten mit unterschiedlich aufwendigen Methoden. In manchen Fällen reicht es, die Seiten mit Spezialleim zu bestreichen und sie damit zu konservieren. Bei den 12 Zeitschriften-Drucken war dies nicht mehr möglich: "Sie waren so stark beschädigt, daß es notwendig war, das Papier zu spalten und beide Hälften auf säurefreies Spezialpapier zu kleben", erklärt Beßelmann. Seit den achtziger Jahren gibt es die technischen Möglichkeiten, selbst aus nahezu zerfetzten Seiten wieder benutzbare Blätter zu machen. Entwickelt wurden sie im Prager Nationalarchiv, verfeinert von Restauratoren in Leipzig und Jena.
Die Restauratoren-Rechnung für die ersten 12 Zeitschriften belief sich auf gut 1500 Mark. "Das sehen wir aber eher als Einstiegspreis, weitere Aufträge dürften weit teurer werden", vermutet Weyer. Nur sehr seltene Einzelstücke kämen für diese Behandlung in Frage. Das Land trägt jeweils die Hälfte der Kosten, den Rest muß die Bibliothek aufbringen.
Eine Dauerbaustelle
Vor andere Probleme sehen sich die Bibliothekare bei noch älteren Werken gestellt: Das Papier früher Drucke ist vergleichsweise gut erhalten, aber die Einbände sind marode. Die ersten dieser restaurierten Bände sind ebenfalls wieder in Gladbach, unter ihnen eine Prachtausgabe der Werke Papst Leos I. Die Kosten hierfür: 300 bis 1000 Mark pro Einband.
Wie hoch die Schäden insgesamt sind, ist schwer abzuschätzen. "Möglich wäre, ein Prozent des Bestandes als Stichprobe zu prüfen - immerhin wären das knapp 1000 Werke - und dann hochzurechnen", so Beßelmann. Die Mittel, die seine Stelle zu vergeben hat - 17 000 Mark pro Jahr für zwei Regierungsbezirke - reichen bei weitem nicht, zumal derzeit zehn Projekte laufen.
Den kompletten Bestand der Volksvereinsbibliothek zu restaurieren, vergleicht Weyer augenzwinkernd "mit der Dauerbaustelle Kölner Dom".