Die bewegte Geschichte des Karstadt-Gebäudes in Rheydt
Das ehemalige Karstadt-Gebäude in Rheydt steht sinnbildlich für den Wandel der Stadt. Wo einst ein florierendes Warenhaus den Einzelhandel prägte, weht heute der Wind der Veränderung Die Stadt hat entschieden, das Gebäude in das Konzept für einen Rathaus-Neubau zu integrieren. Zunächst wird derzeit der Block rund um das historische Rathaus neu gebaut - der sogenannte Bauteil A. Der benachbarte Karstadt-Komplex könnte später als Bauteil B zur Fortsetzung des Projekts "Neues Verwaltungsgebäude Rheydt" werden. Für Stadtbesucherinnen und Lesefreunde verwandelt sich das ehemalige Karstadt-Gebäude aber schon jetzt zum neuen Anziehungspunkt.
Die endgültige Entscheidung über den Umbau des Gebäudes als Bauteil B soll bis 2026/2027 fallen, mit dem Ziel, Rheydt langfristig aufzuwerten und den Standort zu beleben. Weitere Informationen zu den Planungen gibt es hier: Neues Rathaus – Stadt Mönchengladbach & Bauteil B – EWMG
Von der Vision zum Wahrzeichen – Der Bau des Karstadt-Gebäudes
Am 2. Januar 1975, einen Tag nach der kommunalen Neugliederung, begann der Bau am Rheydter Markt. Neben dem Warenhaus wurden 5.000 Quadratmeter Bürofläche für die Stadtverwaltung geschaffen, davon 2.000 als offene Bürofläche. Die Stadt investierte 17 Millionen Mark in den Rathaus-Neubau.
Am 12. Dezember 1975 wurde das Richtfest gefeiert. Am 9. September 1976 öffnete das Karstadt-Gebäude schließlich seine Türen, begleitet von einem großen Bürgerfest mit Tausenden von Menschen. Das Kaufhaus kostete rund 40 Millionen Mark und verfügte über eine eigene Tiefgarage.
Mit 10.450 Quadratmetern Verkaufsfläche auf drei Etagen, 100.000 Artikeln in 70 Abteilungen und 630 Mitarbeitern handelte es sich sogleich um eine der größten Filialen in der Region. Der geplante Jahresumsatz lag bei rund 60 Millionen Mark und bereits im ersten vollständigen Geschäftsjahr 1977 erreichte man 58 Millionen Mark. Die unmittelbare Nähe zum Kaufhof am Marienplatz, nur 100 Meter entfernt, sorgte jedoch für eine verstärkte Konkurrenzsituation.
Vom Kaufhausgiganten zum Krisenfall
Die Jahrtausendwende brachte für den Einzelhandel drastische Veränderungen mit sich. Online-Shopping wurde beliebter, Konsumverhalten änderte sich und die großen Warenhausketten gerieten unter Druck. Karstadt kämpfte mit sinkenden Umsätzen, Umstrukturierungen und Eigentümerwechseln.
Schon 1969, 1971 und 1974 hatte Karstadt Standortanalysen durchgeführt, um die Tragfähigkeit des Standorts zu bestätigen. Das Einzugsgebiet umfasste 300.000 Menschen mit einer Kaufkraft von 2 Milliarden Mark. Dennoch sank nach anfänglichen Erfolgen die Nachfrage.
In den 1980er Jahren kämpfte Rheydt mit wirtschaftlichen Herausforderungen. Leere Ladenflächen in der Fußgängerzone wurden zu einem ernsthaften Problem, während die Wirtschaftskrise die Umsätze drückte. Geschäftsführer Kirsch warnte bereits 1985 vor Rheydts wirtschaftlichem Abstieg und sprach von der Gefahr, zur „Vorstadt von Mönchengladbach“ zu werden. Dann folgten scheinbar entscheidende Schläge: 2009 meldete die damalige Muttergesellschaft Arcandor Insolvenz an, 2015 wurde zunächst die Schließung des Standorts Rheydt bekanntgegeben.
Der Kampf gegen die Folgen der Insolvenz – Kauf durch die EWMG
Ein entscheidender Wendepunkt war in der Folge der Ankauf des Karstadt-Gebäude durch die Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach (EWMG) im Jahr 2015. Durch diesen Schritt sicherte die EWMG nicht nur das Gebäude, sondern auch die Möglichkeit, es in Zukunft neu zu nutzen. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Entwicklung des Basements, das nach der Übernahme neu konzipiert wurde. Mit einer strategischen Neuausrichtung wurde das Untergeschoss so umgestaltet, dass es für eine alternative Nutzung bereitstand. Dieser Prozess symbolisierte bereits den beginnenden Wandel, der nun in der vollständigen Neugestaltung des Gebäudes mündet. Somit konnte Karstadt, bis zur endgültigen Schließung im Herbst 2020, immerhin noch fünf weitere Jahre am Standort gehalten werden.
Mehr dazu: Jedes Ende hat einen neuen Anfang – EWMG
Erste Zwischennutzungen - und eine dauerhafte Lösung für die Schauseite
Was tun mit einem so zentral gelegenen Gebäude? Schnell wurden neue Nutzungskonzepte diskutiert, und schon bald zeigte sich das Potenzial des Gebäudes als Veranstaltungsort. So diente das Gebäude etwa als Austragungsort für den Smart City Summit 2022, bei dem Experten über die digitale Stadtentwicklung diskutierten. Der Summit demonstrierte, wie durch adaptive Nutzung bestehender Infrastruktur neue Impulse für die Stadtentwicklung gesetzt werden können. Auch für die Beruf Konkret, eine Ausbildungs- und Berufsorientierungsmessen in Mönchengladbach, wurde das Gebäude genutzt. Ebenso für das innovative Comedy- Karriereevent „Ich lach‘ mich Job!“.
Schnell wurde deutlich: Das Gebäude kann mehr als nur Einzelhandel. Die ehemaligen Verkaufsflächen können ein Ort des Austauschs und der Begegnung sein, und in dieser Funktion auch wieder die Rolle als Anziehungspunkt einer belebten Rheydter Innenstadt wahrnehmen. Doch wie kann dieser Effekt nicht nur sporadisch durch die Ausrichtung von Events, sondern dauerhaft erzielt werden? Die Antwort: Indem die Stadtteilbibliothek Rheydt hier einzieht. Derzeit (Stand Juni 2025) baut die EWMG die zum Markt hin gelegenen Flächen des Erdgeschosses für die Bibliothek um.
Im ersten Quartal 2026 soll Eröffnung sein. Dann lassen sich durch die Schaufenster, hinter denen einst die neuesten Modetrends präsentiert wurde, schmökernde Bibliotheksbesucher beobachten. Bis es soweit ist, ziert eine passende Folierung die Schaufenster und weckt die Vorfreude auf das, was da kommt. Der Umbau zur Bibliothek ist dabei so konzipiert, dass die Einrichtung in ihren neuen Flächen baulich und gebäudetechnisch unabhängig vom restlichen Karstadt-Komplex ist. Sollte dieser also in den kommenden Jahren, wie derzeit angedacht, als Bauteil B grundlegend modernisiert werden, kann die Bibliothek trotz des Baugeschehens weiterbetrieben werden.
Im Juni 2025 gab es eine weitere gute Nachricht für das Projekt: Die Bibliothek wird nicht nur eine reinen Umzug innerhalb des Gebäude vollziehen, sondern eine Wandlung zum neuen Wohnzimmer des Stadtteils hinlegen. Möglich macht das ein Förderbescheid des Landes NRW in Höhe von 250.000 Euro. (mehr dazu lesen Sie in der Pressemitteilung vom 18. Juni 2025).
Rheydt im Wandel – Eine Stadt erfindet sich neu
Die Entwicklung des Karstadt-Gebäudes ist nur ein Puzzleteil in der Transformation Rheydts. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich die Stadt schon einmal drastisch verändert hat:
Am 1. Januar 1975 wurden die bis dahin eigenständigen Städte Mönchengladbach, Rheydt und Wickrath im Zuge einer Gebietsreform zur neuen kreisfreien Stadt Mönchengladbach zusammengeschlossen. Ziel war es, Verwaltungsprozesse zu optimieren und eine einheitliche Stadtentwicklung zu fördern.
Auch heute geht es um Anpassung und Neuausrichtung: Wo einst Karstadt stand, wird bald ein neues Kapitel der Stadtgeschichte geschrieben.
Ein Symbol des Wandels
Das Karstadt-Gebäude in Rheydt ist mehr als nur ein Stück Stadtarchitektur. Es ist ein Symbol für die Entwicklung des Einzelhandels, für wirtschaftliche Herausforderungen und für die Notwendigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.
Von einem einst florierenden Warenhaus über wirtschaftliche Turbulenzen bis hin zu neuen Nutzungskonzepten zeigt sich hier der Wandel einer Stadt, die sich immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen muss. Die Transformation von Karstadt zum modernen Verwaltungszentrum ist dabei nicht nur ein städtebaulicher Wandel – sie ist auch ein Zeichen für den Mut zur Veränderung.
Denn eines ist klar: Rheydt bleibt in Bewegung.
Text: Marie Sophie Neumann (WFMG) | Redaktionelle Überarbeitung: Tim Irion (Stadt Mönchengladbach)